Sonntag, 30. Oktober 2016

Umsetzung der Erklärung EU-Türkei



Ein Hauptziel der Erklärung besteht darin, das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen, die Migranten und Flüchtlinge ausbeuten, die sich der potenziell tödlichen Gefahr eines irregulären Grenzübertritts aus der Türkei nach Griechenland aussetzen. Der erhebliche Rückgang sowohl der Grenzübertritte als auch der Todesfälle seit dem Inkrafttreten der Erklärung sind ein eindeutiger Beleg für deren Wirksamkeit. Da jedoch nach wie vor einige Menschen die Überfahrt wagen, während Rückführungen aus Griechenland in die Türkei nur langsam vonstattengehen, wächst der Druck auf die Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln. Wenngleich der Umfang der Migrationsströme nach Griechenland weiterhin insgesamt viel geringer ist als vor der Erklärung, müssen die Entwicklungen sorgfältig beobachtet werden.

Auch in Bezug auf andere in der Erklärung behandelte Aspekte sind Fortschritte erzielt worden. So sind die Strukturen geschaffen worden, um tatsächliche Rückführungen in die Türkei durchführen zu können, sobald die jeweiligen Verfahren über die Zulässigkeit bzw. die Begründetheit der Asylanträge abgeschlossen sind. Die Neuansiedlung von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei wurde beschleunigt. Mittlerweile hat die EU mehr als 2,2 Mrd. EUR von den insgesamt 3 Mrd. EUR für die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei bereitgestellt.

 Seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 2016 sind insgesamt 92503 Menschen aus der Türkei auf den griechischen Inseln eingetroffen, durchschnittlich also etwa 81 Menschen pro Tag. Wenngleich im August ein Anstieg zu verzeichnen war, sind die Zahlen im Vergleich zum Sommer 2015 (von Juni bis September 2015 trafen durchschnittlich fast 2900 Menschen pro Tag ein) und im Vergleich zum Monat vor Beginn der Umsetzung der Erklärung (mehr als 1700 pro Tag) nach wie vor sehr niedrig. In diesem Zusammenhang stellen die seit der Erklärung in der Ägäis verzeichneten 11 Todesfälle, so schrecklich sie sind, einen erheblichen Rückgang der Zahl der Todesopfer dar, denn im Gesamtjahr 2015 kamen insgesamt mehr als 270 Menschen ums Leben.

Der EU-Koordinator der Kommission hält laufend Kontakt zu den griechischen und türkischen Behörden, den EU-Agenturen, den internationalen Organisationen und den anderen Mitgliedstaaten. Die EU-Agenturen leisten wesentliche, unerlässliche Unterstützung. Ihre Tätigkeit ist allerdings weitgehend von der Bereitstellung von Experten durch die Mitgliedstaaten abhängig, die jedoch stetig hinter dem Bedarf zurückbleibt. Mit Stand vom 26. September hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen 83 Dolmetscher sowie 70 Experten aus den Mitgliedstaaten (davon 41 in den Hotspots) in Griechenland im Einsatz. Da in den Hotspots 100 Experten benötigt werden, fehlen derzeit 59 Personen für die Unterstützung der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei. Was die Unterstützung an der Grenze betrifft, so hat Frontex mit Stand vom 25. September 699 Bedienstete in Griechenland im Einsatz, von denen insgesamt 675 für die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei eingesetzt werden.
Europol hat acht Experten in Griechenland stationiert, um die Ermittlungen gegen die Schleusung von Migranten zu unterstützen. Außerdem haben die Mitgliedstaaten unlängst zehn Beamte abgestellt, die in den Hotspots eingehendere Überprüfungen in der zweiten Kontrolllinie durchführen sollen. Diese Einsatzkräfte reichen zwar für die gegenwärtigen Anforderungen aus, bei einer künftigen Zunahme der Migrationsströme müssen die Ressourcen jedoch möglicherweise angepasst werden.

Die EU leistet finanzielle Unterstützung für die türkische Küstenwache, die die irregulären Migrationsströme eindämmen und letztlich unterbinden soll. Die Mittel dienen unter anderem zur Beschaffung von sechs Such- und Rettungsschiffen, wobei auch die dafür nötige Ausbildung bereitgestellt wird. Die ersten Schiffe werden voraussichtlich im Februar 2017 ausgeliefert. Wenngleich es infolge des Putschversuchs innerhalb der Strafverfolgungsbehörden, beim Militär und in der öffentlichen Verwaltung zu gewissen Veränderungen gekommen ist – beispielsweise wurden die türkische Gendarmerie und die Küstenwache umstrukturiert und ziviler Kontrolle unterstellt –, wird die Patrouillentätigkeit seitens der zuständigen türkischen Behörden offenbar auf einem ähnlichen Niveau fortgeführt. Die türkische Küstenwache leistete auf entsprechende Ersuchen vonseiten der griechischen Behörden hin auch weiterhin Unterstützung auf See.

Nach dem Putschversuch wurden die türkischen Verbindungsbeamten von den griechischen Inseln abberufen. Bislang sind sie noch nicht zurückgekehrt. Ein türkischer Verbindungsbeamter in den Niederlanden arbeitet mit Europol ebenfalls an mit der Schleusung von Migranten zusammenhängenden Fragestellungen.

Die Erklärung sieht die Rückführung aller neuen irregulären Migranten und Asylsuchenden vor, die nach dem 20. März aus der Türkei auf den griechischen Inseln ankommen und deren Asylanträge für unzulässig oder unbegründet erklärt wurden. Die Maßnahmen werden unter vollkommener Einhaltung der Bestimmungen des EU-Rechts und des Völkerrechts und unter uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung durchgeführt.

Seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 2016 wurden im Rahmen der Erklärung 116 Personen rückgeführt, die irregulär nach Griechenland gekommen waren,6 darunter 22 Syrer. Damit beläuft sich die Gesamtzahl der im Rahmen der Erklärung EU-Türkei in die Türkei rückgeführten Personen auf 578. Darunter waren auch pakistanische, algerische, ägyptische, marokkanische, jemenitische, irakische, libanesische und palästinensische Staatsbürger. Die rückgeführten Personen hatten abschlägige Asylentscheidungen (darunter auch negative Entscheidungen in zweiter Instanz) erhalten, hatten ihren Asylantrag zurückgezogen oder sich nicht um Asyl beworben.

 Griechenland hat Rechtsvorschriften zur Einrichtung der neuen Rechtsbehelfsbehörde und der neuen Rechtsbehelfsausschüsse verabschiedet, die seit dem 20. Juli eingelegte Rechtsbehelfe gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen des griechischen Asyldiensts in zweiter Instanz prüfen.7 Die Arbeit dieser Ausschüsse ist entscheidend, um ein ordnungsgemäßes Verfahren bei der Prüfung von Asylanträgen im Einklang mit EU- und internationalen Normen zu gewährleisten. Die Rechtsbehelfsausschüsse brauchen nun die nötigen Ressourcen, um uneingeschränkt zu arbeiten, damit die Bearbeitung dieser Rechtsbehelfe beschleunigt und so gewährleistet wird, dass die Zielvorgabe von rund 500 bearbeiteten Fällen pro Monat (also 100 Fälle pro Ausschuss) erreicht wird; Asylverfahren auf den griechischen Inseln im Zusammenhang mit der Erklärung EU-Türkei sollten vorrangig behandelt werden.

In der Türkei umfassten die rechtlichen Entwicklungen auch die Anwendung der Vorschriften zu Arbeitserlaubnissen, was zu 10 584 Anträgen auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis durch syrische Staatsangehörige führte. Mehr als 8000 wurden bislang bewilligt, das sind bereits doppelt so viele wie im Gesamtjahr 2015. Was das Rückübernahmeabkommen der EU mit der Türkei betrifft, ist bei der Umsetzung der Bestimmungen zu Drittstaatsangehörigen kein Fortschritt zu verzeichnen. Der türkische Ministerrat hat bisher die Entscheidungen über die Genehmigung der Anwendung dieser Bestimmungen noch nicht getroffen. Bei der Umsetzung der Bestimmungen des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei hat es indes einige Fortschritte im Zusammenhang mit der Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger gegeben.

Seit Vorlage des zweiten Berichts am 15. Juni 2016 hat die Kommission im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und des Fonds für die innere Sicherheit mehr als 90 Mio. EUR Soforthilfe gewährt, um die griechischen Aufnahmekapazitäten und die Unterstützung für Migranten und Flüchtlinge zu verbessern.14 Diese jüngste Soforthilfe ergänzt die zuvor gewährten Soforthilfen: Seit Anfang 2015 wurden im Rahmen dieser EUFonds rund 352 Mio. EUR gewährt, um Maßnahmen in Griechenland zu unterstützen. Griechenland hat im Rahmen der nationalen Programme 509 Mio. EUR für den Zeitraum 2014 - 2020 erhalten; diese Programme werden derzeit überarbeitet, um sie besser auf die aktuellen Bedürfnisse Griechenlands abzustimmen. Beträchtliche EU-Mittel (etwa 198 Mio. EUR) werden den Partnern für humanitäre Hilfe durch das kürzlich geschaffene Soforthilfeinstrument der EU zur Verfügung gestellt. Diese Unterstützung soll die grundlegenden humanitären Bedürfnisse von Migranten und Flüchtlingen decken helfen – dazu gehören Unterkünfte, Sanitäranlagen und Gutscheine, um Nahrungsmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Sie umfasst auch eine spezielle Bildungsförderung für Kinder und unbegleitete Minderjährige.

 Nach den neuesten Zahlen wurden mit Stand vom 26. September im Rahmen der 1:1- Regelung 1614 Syrer in der EU neu angesiedelt. Diese Regelung besagt, dass die EU für jeden von der Türkei rückübernommenen Syrer von den griechischen Inseln einen Syrer aus der Türkei in der EU neu ansiedelt. Insgesamt wurden seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 1103 Syrer aus der Türkei in zwölf Mitgliedstaaten (Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Portugal, Spanien und Schweden)15 neu angesiedelt. Damit erhöht sich die Zahl der Mitgliedstaaten, die Neuansiedlungen im Rahmen der Regelung vornehmen, auf 1316 . Ferner wurden die Neuansiedlungen, die Mitte Juli im Anschluss an den versuchten Staatsstreich unterbrochen wurden, im August wieder aufgenommen. Die Zahl der Personen, die die erforderlichen Verfahren durchlaufen haben und bereit für eine Neuansiedlung sind, beläuft sich auf 509. Wie man sieht, hat sich das Tempo der Neuansiedlungen im Vergleich zu den Rückübernahmen von den griechischen Inseln beträchtlich erhöht. Und dieses Tempo muss beibehalten werden.

Die Bemühungen zur Kontrolle der Migrationsströme in der Ägäis haben bisher nicht zur Entstehung größerer alternativer Routen aus der Türkei geführt. Dennoch weist die Tatsache, dass nach wie vor Menschen in Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich gelangen, auf die Möglichkeit hin, dass sie einen Weg aus der Türkei finden. Einige Schiffe haben die längere Route in andere Mitgliedstaaten zurückgelegt: 24 Schiffe aus der Türkei haben im Berichtszeitraum Italien erreicht. Es gab auch es mehr festgestellte irreguläre Grenzübertritte an den türkischen Landgrenzen mit Bulgarien und Griechenland.

Daher ist es wichtig, die Situation fortlaufend zu überwachen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Verstärkte Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den türkischen Behörden und Behörden der Mitgliedstaaten werden bei der Bewältigung neuer Risiken eine wichtige Rolle spielen. Innerhalb der EU wurden Maßnahmen ergriffen, um besonders gefährdete Grenzen zu schützen. Zum Beispiel hat Frontex auf Ersuchen der bulgarischen Behörden um zusätzliche Unterstützung allmählich seine Präsenz an den Grenzen Bulgariens mit der Türkei (und auch mit Serbien) verstärkt. Seit 26. September wurden in Bulgarien 177 Experten eingesetzt, es besteht jedoch nach wie vor eine erhebliche Lücke im Vergleich zu den 345 vereinbarten Sachverständigen. Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten dringend auf, auf die Aufforderungen von Frontex zu reagieren. Darüber hinaus hat die Kommission Bulgarien vor kurzem bis zu 108 Mio. EUR an Soforthilfe für die verstärkte Grenzüberwachung und Migrationssteuerung an seinen Außengrenzen mit der Türkei, Serbien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zur Verfügung gestellt. Weitere Anträge Bulgariens auf zusätzliche Soforthilfen von bis zu 52 Mio. EUR werden zurzeit noch geprüft. Der bevorstehende Einsatz der europäischen Grenz- und Küstenwache sollte entscheidend zur Wirksamkeit und Kohärenz des Schutzes der EU-Außengrenze beitragen.

Die Beitrittsverhandlungen zu Kapitel 33 (Finanz- und Haushaltsvorschriften) wurden am 30. Juni im Einklang mit der Erklärung EU-Türkei eröffnet. Unbeschadet der Standpunkte der Mitgliedstaaten wurden die Vorarbeiten für die Aufnahme von Verhandlungen zu fünf weiteren Kapiteln im Einklang mit den geltenden Bestimmungen fortgesetzt.

Die humanitäre Lage in Syrien ist nach wie vor katastrophal. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 4,8 Millionen Syrer aus dem Land geflohen, und 6,1 Millionen Menschen wurden zu Binnenvertriebenen, wobei geschätzte 13,5 Millionen Menschen in Syrien heute Hilfe benötigen. Rund 5,5 Millionen dieser Menschen befinden sich in schwer zugänglichen Gebieten und mehr als eine halbe Million in Gebieten, die derzeit unter Belagerung sind, darunter im Osten von Aleppo. Um den humanitären Bedürfnissen dieser Menschen gerecht zu werden, ist es entscheidend, dass die EU und die Türkei zusammenarbeiten und aus Nachbarländern wie der Türkei und Jordanien grenzüberschreitende Unterstützung geleistet wird.




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