Freitag, 28. Oktober 2016

Bundesdruckerei in Panama Papers verwickelt?


Einen ehemaligen Handelsvertreter einer Tochtergesellschaft der Bundesdruckerei GmbH (BDr), der BIS Bundesdruckerei International Services GmbH (BIS), behauptet als „Whistleblower“
von Konten zu wissen im Zusammenhang mit den Panama Papers.

Dieser Handelsvertreter, der insofern eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, hat gegen die BIS Klage erhoben wegen vermeintlich ausstehender Handelsvertreterprovision. Die Klage wurde vom Landgericht Berlin in der ersten Instanz vollinhaltlich abgewiesen und ist nunmehr in der Berufungsinstanz anhängig. Soweit über den Bereich der Bundesdruckerei-Gruppe hinaus laufende oder abgeschlossene Gerichtsverfahren bzw. staatsanwaltschaftliche Ermittlungen angesprochen sind, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Strafverfolgung obliegt – von wenigen, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – den Ländern.

Nach Auffassung der Bundesregierung liegen keine „Beweisdokumente“ für Unregelmäßigkeiten beim Auslandsgeschäft der BIS Bundesdruckerei International Service GmbH vor. Die E-Mail vom 31. Juli 2013 samt Anhängen war Gegenstand von umfangreichen internen und externen Überprüfungen. Zusätzlich zu einer umfassenden Prü- fung durch die Innenrevision/Internal Audit (IR) der Bundesdruckerei GmbH wurde auch eine externe, auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei in die Untersuchungen einbezogen. In Bezug auf frühere Anschuldigungen war zudem eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Prüfungen beauftragt. Bei keiner dieser Prüfungen haben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen verfolgbarer Straftaten oder sonstiger von Alberto P. behaupteter gesetzwidriger Vorgänge oder Unregelmäßigkeiten ergeben.

Die unter Frage 1 genannten Dokumente waren bei der Staatsanwaltschaft Berlin Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. Sämtliche gegen Jörg Baumgartl oder andere Mitarbeiter der Bundesdruckerei-Gruppe geführten Verfahren wurden gemäß § 170 Absatz 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Insbesondere konnte die Staatsanwaltschaft Berlin den unter 1. genannten Dokumenten keine Tatsachen für strafrechtlich relevantes Verhalten entnehmen. Da es bereits an einem Anfangsverdacht mangelte, war die Staatsanwaltschaft Berlin weder zur weiteren Verfolgung, d. h. Befragung des Alberto P., verpflichtet noch berechtigt.

Nachdem der ehemalige Handelsvertreter die genannten zivil- und strafrechtlichen Verfahren angestrengt hatte, konnte ein Gespräch grundsätzlich nicht mehr  geführt werden, ohne dadurch in die laufenden Rechtsstreite einzugreifen. Alberto P. hat gegen das seinen geltend gemachten Anspruch ablehnende Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2015 Berufung beim Kammergericht eingelegt. Der Rechtsstreit ist nach wie vor anhängig. Dem ehemaligen Handelsvertreter stand es jedoch stets frei, ihm vorliegende belastbare Informationen zu übermitteln oder in die rechtlichen Verfahren einzubringen. Die Bundesdruckerei GmbH hat ihn in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat und der Beteiligungsführung über die beteiligten Anwälte ausdrücklich nochmals im April 2016 um die Zusendung von Unterlagen gebeten. Insbesondere wurde er darüber informiert, dass die Staatsanwaltschaft erneut mit der Sache befasst wurde, um ihm die Möglichkeit zu geben, bei ihm befindliche Dokumente im gegebenen Fall auch direkt der Staatsanwaltschaft zuzuleiten.

Die Bundesregierung hat keine Kenntnis davon, dass die panamaische Gesellschaft „Billingsley Global Corporation“ als ihre Vertreter laut Gründungsurkunde Mitarbeiter der Bundesdruckerei benennt. In der der Bundesdruckerei GmbH vorliegenden und der Beteiligungsführung bekannten Kopie der Gründungsurkunde der Firma Billingsley Global Corporation aus dem Juni 2005 sind keine Mitarbeiter der Bundesdruckerei genannt.

Die Bundesdruckerei GmbH liefert seit rund zehn Jahren Komponenten für das venezolanische ePass-System, wie etwa Passdatenseiten und Personalisierungssysteme. Dabei arbeitet das Unternehmen mit lokalen Vertragspartnern zusammen. Diese Partner übernehmen vor Ort als Dienstleister beispielsweise Wartungs- und Reparaturdienste, die Logistik und weitere Supportaufgaben. Die Firma Billingsley Global Corp. war ein solcher Dienstleister. Sämtliche Zahlungen der Bundesdruckerei an Auftragnehmer im Venezuela-Projekt, wie an Firma Billingsley Global Corp., sind in marktüblicher Höhe und aufgrund von Leistungsnachweisen erfolgt.

 Auf Nachfrage hat die Bundesdruckerei GmbH hierzu mitgeteilt, dass die Firma Billingsley Global Corp. Lieferungen und Leistungen jeweils zu handelsüblichen Preisen in Rechnung gestellt hat. Nach Auskunft der Bundesdruckerei GmbH hat die Firma Billingsley Global Corp. gegenüber dem Endkunden auf eigene Rechnung auch zusätzliche Dienstleitungen (wie beispielweise Installation) übernommen.

Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, dass Jörg Baumgartl Gelder von der Gesellschaft „Billingsley Global Corporation“ erhalten hat.

Dieses sogenannte „Beweisdokument“, welches wiederholt von Alberto P. zitiert wird, war ebenfalls Gegenstand von internen Prüfungen seitens der Bundesdruckerei GmbH als auch Gegenstand von externen Überprüfungen einer Strafrechtskanzlei. Das Papier lässt weder ein Datum noch einen Urheber erkennen. Es kann weder der Bundesdruckerei GmbH bzw. BIS Bundesdruckerei International Services GmbH noch einem ihrer Verantwortlichen zugerechnet werden.
In Abstimmung mit der Beteiligungsführung wurden in der Folge der Veröffentlichung der sogenannten „Panama Papers“ alle vorliegenden Dokumente von Seiten der Innenrevision/Internal Audit der Bundesdruckerei GmbH mit den zugänglichen Informationen/Dokumenten der ICIJ-Offshore-Leaks-Datenbank verglichen. Auch mit Hilfe dieses neuen Recherchetools konnten eine weitergehende Plausibilisierung oder neue Erkenntnisse nicht gewonnen werden. Auch bei dieser Prüfung war eine externe auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei eingebunden.

Die Bundesdruckerei GmbH hat infolge der Veröffentlichung der sogenannten „Panama Papers“ die Staatsanwaltschaft Berlin im April 2016 über die aktuelle Medienberichterstattung in Kenntnis gesetzt und entsprechende Dokumente zur  Verfügung gestellt. Die sich daran anschließende staatsanwaltschaftliche Überprüfung jener Dokumente ergab ebenfalls keinen strafrechtlichen Anfangsverdacht gegen Jörg Baumgartl. Der Entschluss, den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft Berlin erneut einer strafrechtlichen Bewertung zuzuführen, erfolgte in enger Abstimmung mit der Beteiligungsführung sowie nach der Befassung des Präsidialausschuss der Bundesdruckerei GmbH. Die Bundesregierung sah also sowohl auf Gesellschafterebene, als auch durch ihre Vertretung in den Gremien der Bundesdruckerei GmbH eine nochmalige Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt. Eine zusätzliche Anzeige unmittelbar durch einen Vertreter der Bundesregierung hätte gegenüber dieser Vorgehensweise keinen Mehrwert erbringen können. Zivilrechtliche Forderungen wurden mangels einer Anspruchsgrundlage sowie eines Schadens, mithin auf Grund von fehlenden Erfolgsaussichten nicht geltend gemacht.

Sämtliche der Bundesregierung bekannten Ermittlungsverfahren gegen Jörg Baumgartl sind mangels eines Anfangsverdachtes gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden. Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse über etwaige weitere Strafermittlungsverfahren gegen Jörg Baumgartl oder andere Mitarbeiter der Bundesdruckerei GmbH im Zusammenhang mit deren Tätigkeit für die Bundesdruckerei und/ oder die BIS Bundesdruckerei International Services GmbH vor.

Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte vor, dass auf Betreiben von Bundesministerien bzw. ihren nachgeordneten Behörden oder bundesnahen Unternehmen oder deren Mitarbeitern sogenannte „Briefkastengesellschaften“ veranlasst wurden. Dabei wurde der Begriff „bundesnahe Unternehmen“ als Unternehmen mit öffentlichem Bezug, an denen der Bund beteiligt ist, verstanden.

Der 10-Punkte-Plan vom 11. April 2016 als Reaktion auf die „Panama Papers“ behandelt überwiegend Maßnahmen auf internationaler Ebene. Eine Umsetzung ist hier nur durch international abgestimmte Prozesse möglich. Kurz nach dem Bekanntwerden der „Panama Papers“ hat die panamaische Regierung ihre Bereitschaft zum baldigen Abschluss eines bilateralen Abkommens zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten nach dem von der OECD entwickelten Common Reporting Standard (CRS) mitgeteilt. Im Juli 2016 trafen sich dementsprechend Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen mit Vertretern der panamaischen Regierung in Berlin zu Gesprächen über den Abschluss eines bereits seit längerer Zeit verhandelten allgemeinen Abkommens über den Austausch von steuerlichen Informationen sowie eines gesonderten Abkommens über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten.

Die Bundesregierung erwartet, dass die panamaische Seite die Gespräche konstruktiv fortführt, so dass die vertraglichen Vereinbarungen zügig zum Abschluss gebracht werden können. Die Arbeiten im Rat der EU an einer EU-einheitlichen sogenannten schwarzen Liste für Steuerzwecke haben aufgrund eines Auftrags der Finanzminister der EU kurz nach dem Bekanntwerden der „Panama Papers“ begonnen und sollen bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Die anzuwendenden Kriterien für die Überprü- fung von Drittstaaten stehen noch nicht fest. Es zeichnet sich jedoch ab, dass neben der Transparenz des Steuersystems dabei auch Aspekte des Steuerwettbewerbs und die Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung (BEPS-Prozess) eine Rolle spielen werden. 

Ein Schwerpunkt der internationalen Arbeiten zum automatischen Informationsaustausch wird zukünftig auf der Überwachung einer vertragsgemäßen Umsetzung des Standards in allen maßgeblichen Staaten und Gebieten liegen. Damit wird der erforderliche Umsetzungsdruck aufrechterhalten. Auf Bitten der OECD und der G20 wird das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes bis 2020 die Implementierung des CRS sowie dessen inhaltliche Umsetzung durch seine Mitgliedstaaten prüfen und gegenüber dem OECD und der G20 entsprechend berichten. Dieser Prozess ist erfolgreich gestartet. Inzwischen sind umfangreiche Prüfberichte erarbeitet worden. Entsprechend den Vorgaben der 4. EU-Geldwäsche-Richtlinie wird Deutschland ein Register schaffen, aus dem zu in Deutschland eingetragenen Gesellschaften und sonstigen juristischen Personen Daten über die wirtschaftlich Berechtigten hervorgehen.

Es wird angestrebt, die nationalen Register mit Informationen über wirtschaftlich Berechtigte EU-weit zu vernetzen. Die Europäische-Kommission hat diese Vernetzung nun konkret in ihren Änderungsvorschlag zur 4. EU-Geldwäscherichtlinie aufgenommen. Deutschland hat sich zusammen mit den anderen G5-Staaten am 14. April 2016 in einem Brief an die G20 gewandt und diese aufgefordert, durch geeignete Maß- nahmen den Zugang für Steuer- und Strafverfolgungsbehörden zu Daten zum wirtschaftlich Berechtigten zu verbessern. Zum Treffen der G20-Finanzminister am 6. Oktober 2016 in Washington haben auf die Bitte der G20 die Financial Action Task Force sowie das Global Forum erste Vorschläge präsentiert, wie die Verfügbarkeit von Informationen über wirtschaftlich Berechtigte verbessert werden kann.

Die Europäische Kommission hat im Sommer 2016 einen Vorschlag zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie unterbreitet. Dieser Vorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten einen gesetzlich abgesicherten Zugang der Steuerverwaltungen zu bestimmten Informationen gemäß der Geldwäscherichtlinie gewährleisten. Deutschland unterstützt diesen Kommissionsvorschlag. Es ist vorgesehen, dass der ECOFIN die Richtlinie noch im Herbst 2016 verabschiedet. Punkt 12 des BEPS-Aktionsplans sieht als Mittel gegen aggressive Steuerplanung eine Empfehlung gegenüber den OECD-Staaten vor, eine verpflichtende Offenlegung von Steuergestaltungsmodellen einzuführen.

Das Bundesministerium der Finanzen prüft gegenwärtig in Zusammenarbeit mit den Ländern eine entsprechende Maßnahme unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf europäischer Ebene. Das Bundesministerium der Finanzen hatte im Juli 2015 dem MaxPlanck-Institut München einen Forschungsauftrag erteilt. Das inzwischen vorliegende Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es grundsätzlich möglich ist, eine Anzeigepflicht ins deutsche Recht zu implementieren, die sowohl den verfassungsrechtlichen als auch den europarechtlichen Anforderungen genügt. Das Ergebnis der Prüfung bleibt abzuwarten. Die Europäische Kommission wurde durch den ECOFIN im Mai 2016 aufgefordert, den Erlass eines Richtlinienvorschlags zum Thema Anzeigepflicht zu prüfen. Der Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sieht vor, mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich das Ordnungswidrigkeitenrecht auszubauen und ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne zu prüfen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat angekündigt, hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Die Bundesregierung wird ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche weiter verstärken. Deutschland hat in den vergangenen Jahren strikte Vorgaben und Kontrollen zur Bekämpfung der Geldwäsche im Finanzsektor etabliert. Solche Fortschritte werden auch bei der Geldwäschekontrolle im gewerblichen Bereich für notwendig erachtet, für die im Wesentlichen die Bundesländer verantwortlich sind. Die Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsmeldungen („Financial Intelligence Unit“) wird vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlagert und dabei mit neuen Kompetenzen wie etwa Sofortmaßnahmen zur Sicherung von Vermö- gensgegenständen und deutlich mehr Personal ausgestattet. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sollen erhebliche Abschöpfungslücken geschlossen werden. Für den Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität etwa schafft der Entwurf ein rechtliches Instrument, mit dem aus Straftaten herrührendes Vermögen unklarer Herkunft unabhängig vom Nachweis einer konkreten Straftat eingezogen werden kann.


Zu der Ankündigung von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble über den vorgenannten 10-Punkte-Plan vom 11. April 2016 hinaus, wird auf die in den Antworten zu den Fragen 10 und 11 dargestellten umfangreichen Prüfungen verwiesen.

Jörg Baumgartl hat sein Arbeitsverhältnis bei der Veridos GmbH zum Ende des Jahres 2016 gekündigt. Die Veridos GmbH ist eine im Mehrheitsbesitz der Firma Giesecke & Devrient (G&D) stehende Joint-Venture-Gesellschaft, die seit 2015 das Auslandsgeschäft für die Bundesdruckerei GmbH betreibt und an der die Bundesdruckerei GmbH eine Minderheitsbeteiligung hält. Sämtliche der Bundesregierung bekannten Ermittlungsverfahren gegen Jörg Baumgartl sind mangels eines Anfangsverdachtes gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden. 



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