Sonntag, 30. Oktober 2016

Situation in der privaten Krankenversicherung



Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung (PKV) müssen für jede privat Krankenversicherte und jeden privat Krankenversicherten Alterungsrückstellungen bilden, um das höhere Krankheitsrisiko im Alter und damit hö- here Beiträge durch Alterung abzufedern. Die Mittel für die Rückstellungen legt die PKV auf den Kapitalmärkten an. Der zu erwartende zukünftige Zins und Zinseszins wird zur Deckung der kalkulierten erwarteten Kosten in die Beitragsberechnung einbezogen. Von der Höhe des Rechnungszinses und des darüber hinaus erzielten Überzinses hängt ab, wie hoch der Beitrag in jüngeren Jahren sein muss, damit die angestrebte Höhe der Alterungsrückstellungen auch erreicht werden kann. Damit wird deutlich, wie stark die PKV von den Auswirkungen der langanhaltenden Niedrig- und Null-Zinsphase betroffen ist. Niedrige Zinsen bedeuten für die Unternehmen geringe Erträge bei der Kapitalanlage der angesparten Rückstellungen.

Uwe Laue, Vorsitzender des PKV-Verbandes, erläuterte, dass die Versichertenzahl in der Krankenvollversicherung im vergangenen Jahr erneut um 47 100 oder 0,5 Prozent gesunken sei (versicherungswirtschaft-heute.de vom 24. Juni 2016). Die Einnahmen durch Versicherungsbeiträge fielen folglich niedriger aus. Weiterhin sind die Leistungsaufwendungen im Jahr 2015 deutlich stärker gestiegen als die Beitragseinnahmen (ÄrzteZeitung vom 24. Juni 2016, „Rechenschaftsbericht: PKV mit deutlichem Ausgabenanstieg“). Die wirtschaftliche Situation der PKV-Unternehmen scheint sich demnach weiter zu verschlechtern. Es liegt auf der Hand, dass damit auch die Prämienbelastungen für die privat Krankenversicherten steigen werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übt die Aufsicht über die privaten Krankenversicherungen aus. Aufgrund vieler gesetzlicher Regelungen, die die PKV betreffen und der Kontrolle durch die BaFin unterstehen, liegen ihr daher umfangreiche Daten über die Branche vor.

Nach § 152 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes sind Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche die substitutive Krankenversicherung betreiben, seit dem 1. Januar 2009 zum Angebot eines branchenweit einheitlichen Basistarifs verpflichtet, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe der gesetzlichen Krankenversicherung jeweils vergleichbar sind. Die konkrete Ausgestaltung des Leistungsumfangs im Basistarif obliegt dem PKV-Verband unter Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (§ 158 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes). Diesem Auftrag ist der PKV-Verband mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen 2009 für den Basistarif (AVB/BT 2009) nachgekommen. Um die Beitragsentlastungswirkung beim Wechsel aus der klassischen Tarifwelt in den Standardtarif zu erreichen, orientiert sich das Leistungsniveau des Standardtarifs grundsätzlich am Leistungsniveau der GKV, kann aber bei bestimmten Leistungen auch davon abweichen. So sieht der Leistungskatalog des Standardtarifs z. B. keine Haushaltshilfe oder keine Soziotherapie vor.

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass trotz der Maßgabe, dass die Vertragsleistungen „vergleichbar“ sein müssen, eine ausreichende Möglichkeit zur konkretisierenden Definition des Leistungsrechts unter Berücksichtigung der Besonderheiten der privaten Krankenversicherung eingeräumt werden muss. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen seines Urteils vom 10. Juni 2009 (BVerfG, 1 BvR 706/08 vom 10. Juni 2009) bestätigt, dass der Maßstab „vergleichbarer Leistungen“ keineswegs einen Zwang schafft, sämtliche Detailregelungen aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in den Basistarif zu überführen. Gleiches gilt für den Leistungsumfang des Standardtarifs.

In Erwartung weiter fallender Rechnungszinsen wurde § 11 Absatz 2 KVAV (Berechnung der Prämien bei Prämienanpassung) mit Wirkung zum 22. April 2016 bereits ergänzt. Die Regelung eröffnet den Unternehmen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anlässlich einer Beitragsanpassung die Möglichkeit, Beitragsauswirkungen, die sich aus einer erforderlichen Anpassung des Rechnungszinses ergeben, über mehrere Jahre zu strecken. Hierdurch sollen für den Versicherungsnehmer eine insgesamt stetigere Beitragsentwicklung erreicht und unzumutbare Beitragssprünge vermieden werden. Die Zahl der Stufen ist im Interesse der Sicherheit der Kalkulation begrenzt. Die Möglichkeit zur Verwendung weiterer Mittel zur Begrenzung von Beitragsanpassungen bleibt ausdrücklich unberührt. Darüber hinaus zeigen die durch den Gesetzgeber implementierten Maßnahmen zur Beitragsstabilisierung im Alter und zur Direktgutschrift aus dem Zinsüberschuss (§§ 149 und 150 VAG) Wirkung. Dies lässt sich an dem Anteil der aus diesen Maßnahmen stammenden Mittel an den Alterungsrückstellungen und insbesondere an den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen, die den Alterungsrückstellungen zugeführt werden, ablesen.


Unter Berücksichtigung der knapp 43 Millionen bestehenden Verträge (Stand: 31. Dezember 2015) in der Krankenvoll-, Zusatz- und Pflegeversicherung, für die der Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung zuständig ist, errechnet sich eine Beschwerdequote von rund 0,013 Prozent. Hochgerechnet auf die einzelnen Leistungsfälle pro versicherte Person wird diese Zahl noch weitaus kleiner. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich einige Beschwerden gar nicht auf die Private Krankenversicherung bezogen und bereits aus diesem Grund unzulässig waren. Von den im Berichtsjahr eingegangenen Beschwerden waren 4 015 und damit 69,6 Prozent zulässig. 79,6 Prozent der Beschwerden entfielen auf die Krankheitskostenvollversicherung.






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