Sonntag, 30. Oktober 2016

Niedrigstenergiegebäude



Nachdem Effizienzanforderungen in die nationalen Bauvorschriften aufgenommen wurden, verbrauchen Neubauten heute nur noch halb so viel Energie wie typische Gebäude aus den 1980er-Jahren. Die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (im Folgenden „EPBD“ oder die „Richtlinie“) verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Festlegung von Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Neubauten und bestehenden Gebäuden, die umfangreichen Renovierungen unterzogen werden. Zusätzlich zu diesen Mindestanforderungen wird in der Richtlinie die klare Vorgabe gemacht, dass alle neuen Gebäude bis Ende des Jahrzehnts einen fast bei null liegenden oder sehr geringen Energiebedarf haben müssen und somit als Niedrigstenergiegebäude gelten. Der derzeitige Gebäudebestand setzt sich aus alten und nicht energieeffizienten Gebäuden zusammen; die Renovierung schreitet nur langsam voran. Im Einklang mit der Richtlinie sollte auch der derzeitige Gebäudebestand schrittweise umgebaut werden, um ähnliche Standards zu erreichen. Die vollständige Umsetzung und Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften im Energiebereich gilt als höchste Priorität bei der Verwirklichung der Energieunion . Gemäß dem geltenden Rechtsrahmen bestehen die beiden wesentlichen Anforderungen darin, zu gewährleisten, dass alle neuen Gebäude bis zum 31. Dezember 2020 Niedrigstenergiegebäude sind (zwei Jahre früher für öffentliche Gebäude), und den Umbau bestehender Gebäude gemäß den Niedrigstenergiezielen zu unterstützen.

Nach Artikel 2 Absatz 2 der EPBD bezeichnet „Niedrigstenergiegebäude“ „ein Gebäude, das eine sehr hohe, nach Anhang I bestimmte Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen — einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird — gedeckt werden“. Im ersten Teil der Begriffsbestimmung wird die Gesamtenergieeffizienz als das wesentliche Element dargestellt, das ein „Niedrigstenergiegebäude“ ausmacht. Die Gesamtenergieeffizienz muss sehr hoch sein und wird nach Anhang I der Richtlinie bestimmt. Der zweite Teil der Begriffsbestimmung gibt als Leitprinzip für die Erreichung dieser sehr hohen Energieeffizienz vor, dass der verbleibende geringe Energiebedarf zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Das Konzept der Niedrigstenergiegebäude spiegelt die Tatsache wider, dass Maßnahmen in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz ineinandergreifen. Wird die erneuerbare Energie direkt am Gebäude erzeugt, verringert sich die netto bereitgestellte Energie. In vielen Fällen reicht die erneuerbare Energie vor Ort nicht aus, um einen Energiebedarf von nahezu null zu erreichen, ohne zusätzliche Energieeffizienzmaßnahmen zu ergreifen oder einen erheblichen Rückgang der Primärenergiefaktoren für Energie aus externen erneuerbaren Energiequellen in Kauf zu nehmen. Daher werden höhere und strengere Anforderungen an hocheffiziente Niedrigstenergiegebäude auch zu einer stärkeren Nutzung von erneuerbaren Energiequellen direkt an Gebäuden führen und sollten eine Anpassung der Primärenergiefaktoren für externe Energieträger, unter Berücksichtigung des Anteils erneuerbarer Energien, zur Folge haben.

Die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes wird definiert als „… die berechnete oder gemessene Energiemenge, die benötigt wird, um den Energiebedarf im Rahmen der üblichen Nutzung des Gebäudes (u. a. Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Beleuchtung) zu decken“ . Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 244/2012 der Kommission und die dazugehörigen Leitlinien dienen als nützliche Orientierungshilfe für die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes.

Nach der Verordnung werden zur Berechnung der Gesamtenergieeffizienz zunächst der Endenergiebedarf  für Heizung und Kühlung berechnet und zuletzt der Primärenergieverbrauch. Die Berechnung beginnt also beim Bedarf des Gebäudes und endet bei der Quelle (d. h. bei der Primärenergie). Gemäß der Richtlinie können die Mitgliedstaaten ihre eigenen nationalen Primärenergiefaktoren verwenden, um die letztlich bereitgestellte Energie in Primärenergie umzuwandeln und die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden zu berechnen. Der Primärenergieverbrauch muss anhand der für jeden Energieträger (z. B. Strom, Heizöl, Biomasse, Fernwärme und Fernkälte) spezifischen Primärenergiefaktoren berechnet werden. In den Leitlinien zur Delegierten Verordnung wird die Anwendung des gleichen Primärenergiefaktors von 2,5 für bereitgestellte und für exportierte Energie empfohlen. Durch die am Standort erzeugte Energie (vor Ort verwendet oder exportiert) verringert sich der mit der bereitgestellten Energie zusammenhängende Primärenergiebedarf.

Durch die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz soll der jährliche Gesamtenergieverbrauch an Primärenergie bestimmt werden, der dem Energieverbrauch für Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Beleuchtung entspricht. Diese Berechnung der jährlichen Energiebilanz steht im Einklang mit dem geltenden EPBDRechtsrahmen. Studien zeigen jedoch, dass es von Vorteil sein könnte, die Energiebilanzen für kürzere Zeiträume zu berechnen (um beispielsweise tägliche und saisonbedingte Effekte auszumachen).

 Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie müssen die Mindestanforderungen den allgemeinen Innenraumklimabedingungen Rechnung tragen, um mögliche negative Auswirkungen, wie unzureichende Belüftung, zu vermeiden. Zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der Luftqualität in Innenräumen, des Komforts und der gesundheitlichen Bedingungen im europäischen Gebäudebestand sollte die schrittweise Verschärfung der Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz, die sich aus der EU-weiten Umsetzung der EPBD ergibt, mithilfe geeigneter Strategien zur Verbesserung des Innenraumklimas gemeinsam vorangetrieben werden.
 
Aus anderen Studien geht zudem hervor, dass neue und renovierte Gebäude oft nicht die beabsichtigte Energieeffizienz erzielen. Es sollten Mechanismen eingeführt werden, um die Berechnung der Energieeffizienz mit dem tatsächlichen Energieverbrauch abzustimmen. 


Es ist wichtig zu bedenken, dass das Niedrigstenergiegebäude-Konzept für die meisten neuen Gebäude ab Januar 2021 gelten wird (für neue öffentliche Gebäude bereits ab Januar 2019). Bis dahin werden die Technologiekosten infolge reiferer Märkte und größerer Verkaufsmengen voraussichtlich gesunken sein. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Niedrigstenergiegebäude-Niveaus dem Kostenoptimum für 2020 entsprechen werden. Die Daten deuten darauf hin, dass die bestehenden Technologien für Energieeinsparungen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien ausreichend sind, um miteinander kombiniert geeignete Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude zu erreichen . Eine technologische Kluft, die bis 2021 geschlossen werden müsste, wurde nicht ermittelt. Die Analyse der Berichte über die kostenoptimalen Niveaus gemäß Artikel 5 der EPBD deutet darauf hin, dass ein reibungsloser Übergang zwischen Kostenoptimalität und Niedrigstenergiegebäuden zu schaffen ist.

Die Förderung des Umbaus bestehender Gebäude zu Niedrigstenergiegebäuden gemäß Artikel 9 Absatz 2 der EPBD sollte als ein Element auch die vermehrte Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe c) umfassen. Gemäß Artikel 13 Absatz 6 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten außerdem verpflichtet, durch ihre Bauregelwerke und -vorschriften die Verwendung von Systemen und Anlagen zur Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu fördern. Ziel von Artikel 9 Absatz 2 ist es daher, die Renovierungsintensität zu erhöhen, indem nationale Strategien zur Förderung der Sanierung bestehender Gebäude auf tiefer greifende Maßnahmen nach NiedrigstenergiegebäudeStandards ausgerichtet werden. Die Verpflichtung gemäß Artikel 9 Absatz 2 der EPBD wird durch langfristige nationale Gebäudestrategien gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates ( 22) (Energieeffizienzrichtlinie) ergänzt; diese Strategien sollten durch die Mobilisierung von Finanzmitteln und Investitionen für die Renovierung von Gebäuden zu höheren Renovierungsquoten führen. Diese langfristigen Renovierungsstrategien verbinden die oben genannten Elemente der Energieeffizienzrichtlinie (Renovierungsquote) und der EPBD (Renovierungsintensität) miteinander.

 Um die Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude einzuhalten, müssen beim Entwurf von Neubauten möglicherweise bestehende Verfahren angepasst werden. Die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz sowie die Anforderung eines fast bei null liegenden Energiebedarfs müssen unter Beachtung der Fristen gemäß Artikel 9 Absatz 1 geprüft werden. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass angemessene Sanktionsmechanismen vorhanden sind, sollten Neubauten den Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz nicht entsprechen. Dies kann differenzierte Sanktionen für neue Gebäude erforderlich machen, nachdem die Fristen für Niedrigstenergiegebäude verstrichen sind. Die Mitgliedstaaten sollten diese Elemente baldmöglichst einer Beurteilung unterziehen, um sicherzustellen, dass die Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude erreicht werden. Außerdem wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten den Mechanismus festlegen, mit dem die Erfüllung der Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude überwacht werden soll. Dieser Mechanismus sollte auch eingesetzt werden, um das Erreichen der Zwischenziele für 2015 gemäß Artikel 9 Absatz 1 sowie etwaiger zusätzlicher Meilensteine auf nationaler Ebene bis 2020 zu kontrollieren. Dies wird die aktuellen Fahrpläne für Niedrigstenergiegebäude stärken und in den kommenden Jahren zu den Überwachungsmechanismen beitragen.
 


 

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