Freitag, 28. Oktober 2016

Cum-Ex und Dividendenstripping


Mit dem Regierungsentwurf des Investmentsteuerreformgesetzes plant die Bundesregierung, zukünftig u. a. die Umgehung der Dividendenbesteuerung (u. a. Dividendenstripping / Cum-Ex Deal) zu verhindern. Beim Dividendenstripping (/ Cum-Ex Deal) sind dem Steuerzahler in den letzten Jahrzehnten Milliardenbeträge entzogen worden. Es drohen weitere Milliarden Steuersubstrat entzogen zu werden, wenn der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung Dividendenstripping (/ Cum-Ex Deal) nicht wirksam unterbindet.

der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 16. April 2014 (Az: I R 2/12) zu dieser Frage auf diese Entscheidungen Bezug genommen, obwohl in dem Streitjahr § 50c EStG keine Anwendung mehr fand. In der am 13. Januar 2016 veröffentlichten Entscheidung (Az: I R 88/13) hat der Bundesfinanzhof bei einem Wertpapierleihgeschäft unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bereits den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums der Aktien verneint.

Welche rechtlichen Schlüsse aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofes vom 16. April 2014 (Az. I R 2/12) und vom 18. August 2015 (Az: I R 2/12 und I R 88/13) zu ziehen sind, wird derzeit in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe geprüft.

Die Gesetzesbegründung zu § 36 Absatz 2a EStG-E in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung enthält keine rechtliche Bewertung der Cum-Cum-Gestaltungen. Es wird lediglich beschrieben, wie diese Gestaltungen ablaufen und wie die Besteuerung der Dividenden faktisch umgangen wird.

Nach Auffassung der Bundesregierung hat der Steuerpflichtige bei der Geltendmachung der Anrechnung von Kapitalertragssteuer offenzulegen, dass ein Dividendenstripping-Sachverhalt vorliegt. Nach § 90 Absatz 1 Satz 2 AO sind die Beteiligten zur Mitwirkung im Besteuerungsverfahren verpflichtet. Dieser Mitwirkungspflicht kommen sie insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen. Insbesondere besteht eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht.

Bei Vorliegen von Cum-Ex- oder Cum-Cum-Sachverhalten besteht eine Anzeigeund Berichtigungspflicht nach § 153 AO, wenn der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass er diese Sachverhalte in seiner Steuererklärung unrichtig oder unvollständig erklärt hat und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Ist dem Steuerpflichtigen bereits bei Abgabe seiner Steuererklärung bewusst, dass er zu Cum-Ex- oder zu Cum-Cum-Sachverhalten keine, unvollständige oder unrichtige Angaben gemacht hat, wird zu prüfen sein, ob der Steuerpflichtige eine Steuerhinterziehung begangen hat.

Die BaFin hat im Zusammenhang mit der in der Frage genannten Abfrage nicht auf künftige weitere Sachverhaltsaufklärungen verzichtet. Sie wird in enger Abstimmung mit der für die Beaufsichtigung bedeutender Kreditinstitute im Sinne des Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM-Verordnung) zuständigen EZB die Entscheidung über weitere Sachverhaltsaufklärungen treffen.

 § 36 Absatz 2a Satz 5 Nummer 2 EStG-E setzt voraus, dass der Steuerpflichtige seit mindestens einem Jahr zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussrechte ist. Wenn die Chancen und Risiken aus den Aktien oder Genussrechten nicht von dem Steuerpflichtigen, sondern von einer anderen Person (Dritter) getragen werden, dann ist dies ein Indiz dafür, dass der Dritte wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussrechte ist. Fehlt es – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – an dem wirtschaftlichen Eigentum des Steuerpflichtigen, dann ist auch die Ausnahmeregelung in § 36 Absatz 2a Satz 5 Nummer 2 EStG-E nicht anwendbar.

Eine Umgehung der Regelungen des § 36 Absatz 2a EStG-E in Konzernstrukturen erscheint möglich. Daher prüft die Bundesregierung derzeit, mit welchen Ergänzungen der vorgeschlagenen Regelung diese ausgeschlossen werden können.

Die Bundesregierung hat diesen Regelungsvorschlag nicht weiter verfolgt, da im Rahmen der Abstimmung Bedenken hinsichtlich einer hinreichenden Bestimmtheit der Norm geäußert und insbesondere auch auf Vorbehalte der Rechtsprechung hinsichtlich einer neben einander bestehenden Anwendbarkeit einer spezialgesetzlichen und einer allgemeinen Missbrauchsverhinderungsnorm hingewiesen wurden (vgl. Ratschow in Klein, Abgabenordnung, 12. Auflage 2014, § 42 Rn. 91). Der Bundesregierung sind keine Gestaltungen bekannt, die durch die Streichung nicht mehr erfasst würden.

Im Zusammenhang mit Erstattungen nach § 50d Absatz 1 EStG i. V. m. Doppelbesteuerungsabkommen
an ausländische Antragsteller hat das Bundeszentralamt
für Steuern insgesamt 530 Fälle untersucht. Zum Stichtag 1. April 2016 wurde in
102 Fällen die Kapitalertragsteuer nicht erstattet, davon wurden im Laufe der
Sachverhaltsermittlung sieben Erstattungsanträge zurückgenommen. In fünf Fällen
wurden die Erstattungsbeträge von Antragstellern zurückgefordert, von denen
in einem Fall der Erstattungsbetrag zurückgezahlt wurde; vier Fälle sind noch
anhängig. Insgesamt sind im Auslandsbereich noch 281 Fälle in Bearbeitung. Abgeschlossen
sind 249 Fälle, von denen sich – neben den sieben Antragsrücknahmen
und der einen bestandskräftigen Rückforderung – der Cum-Ex-Verdacht in
22 Fällen nach Aktenlage und in 219 Fällen nach Sachverhaltsermittlung nicht
bestätigte. 

Das BMF hat das BZSt im Zuge der Erstellung des Schreibens vom 5. Mai 2009 (Az. IV C 1 – S 2252/09/10003; BStBl I 2009 S. 631) über mögliche Leerverkäufe von Aktien über den Dividendenstichtag und damit verbundener Gefahren einer mehrfachen Bescheinigung von Kapitalertragsteuer nach § 45a Absatz 3 EStG informiert.

 Ausländische Antragsteller haben im Rahmen ihres Erstattungsantrages zu bestä- tigen, dass ihnen das angegebene Kapitalvermögen im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge gehört hat und ihnen die Kapitalerträge zum Dividendenstichtag zugestanden haben. Der Nachweis ist regelmäßig durch die Vorlage einer Kapitalertragsteuerbescheinigung im Sinne von § 45a Absatz 2 EStG zu erbringen. Die Bundesbetriebsprüfung hat in den Jahren 2014 und 2015 in zwei bisher noch nicht abgeschlossenen Mitwirkungsfällen unter Einbeziehung inländischer Erwerber Cum-Cum-Gestaltungen aufgegriffen. Diese werden auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des BFH zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums rechtlich gewürdigt werden.
Im Lichte der aktuellen Entwicklung sowie aufgrund der beabsichtigten Gesetzesänderungen
zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer (§ 36 Absatz 2a EStG-E)
für unbeschränkt Steuerpflichtige wird das Bundeszentralamt für Steuern verstärkt
prüfen, ob Gestaltungen auftreten, in denen Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag
auf beschränkt Steuerpflichtige übertragen werden.
Da eine Prüfung, ob rechtsmissbräuchliche Cum-Cum-Gestaltungen vorliegen,
im Rahmen der geschäftsmäßigen Antragsbearbeitung bzw. bei Außenprüfungen
erfolgt, können Vollzeitäquivalente in beiden Bereichen nicht beziffert werden. 

Im körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren wurde bei Ausschüttungen durch eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft die auf die Ausschüttung entfallende und von der ausschüttenden Gesellschaft zu entrichtende Körperschaftsteuer auf die vom Empfänger der Ausschüttung zu zahlende Einkommenoder Körperschaftsteuer angerechnet. Ausländische Anteileigner waren nicht zur Anrechnung der Körperschaftsteuer berechtigt. 

Um die fehlende Anrechnungsmöglichkeit zu umgehen, wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren bis zur Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens u. a. folgende Gestaltung gewählt: Der ausländische Anteilseigner lässt sich die Gewinne der Kapitalgesellschaft nicht ausschütten, sondern veräußert die Beteiligung an einen anrechnungsberechtigten Inländer. Mit dem Kaufpreis bezahlt der inländische Käufer auch die Körperschaftsteuer, die er nach einer Ausschüttung im Rahmen seiner Veranlagung anrechnen kann. 

Durch die Ausschüttung sinkt der Wert der Beteiligung. Diese Wertminderung konnte der Käufer – vor der Einführung des § 50c EStG – mit seinen Dividendeneinnahmen verrechnen und so eine Besteuerung vermeiden. Damit wurde – vor der Einführung des § 50c EStG – eine Erstattung der in der auf der Dividende lastenden Körperschaftsteuer erreicht, obwohl die Ausschüttung im Ergebnis nicht besteuert wurde.


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