Ein Hauptziel der Erklärung besteht darin, das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen,
die Migranten und Flüchtlinge ausbeuten, die sich der potenziell tödlichen Gefahr eines
irregulären Grenzübertritts aus der Türkei nach Griechenland aussetzen. Der erhebliche
Rückgang sowohl der Grenzübertritte als auch der Todesfälle seit dem Inkrafttreten der
Erklärung sind ein eindeutiger Beleg für deren Wirksamkeit. Da jedoch nach wie vor einige
Menschen die Überfahrt wagen, während Rückführungen aus Griechenland in die Türkei nur
langsam vonstattengehen, wächst der Druck auf die Aufnahmeeinrichtungen auf den
griechischen Inseln. Wenngleich der Umfang der Migrationsströme nach Griechenland
weiterhin insgesamt viel geringer ist als vor der Erklärung, müssen die Entwicklungen
sorgfältig beobachtet werden.
Auch in Bezug auf andere in der Erklärung behandelte Aspekte sind Fortschritte erzielt
worden. So sind die Strukturen geschaffen worden, um tatsächliche Rückführungen in die
Türkei durchführen zu können, sobald die jeweiligen Verfahren über die Zulässigkeit bzw. die
Begründetheit der Asylanträge abgeschlossen sind. Die Neuansiedlung von syrischen
Flüchtlingen aus der Türkei wurde beschleunigt. Mittlerweile hat die EU mehr als
2,2 Mrd. EUR von den insgesamt 3 Mrd. EUR für die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei
bereitgestellt.
Seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 2016 sind insgesamt 92503 Menschen aus der Türkei
auf den griechischen Inseln eingetroffen, durchschnittlich also etwa 81 Menschen pro Tag.
Wenngleich im August ein Anstieg zu verzeichnen war, sind die Zahlen im Vergleich zum
Sommer 2015 (von Juni bis September 2015 trafen durchschnittlich fast 2900 Menschen pro
Tag ein) und im Vergleich zum Monat vor Beginn der Umsetzung der Erklärung (mehr als
1700 pro Tag) nach wie vor sehr niedrig. In diesem Zusammenhang stellen die seit der
Erklärung in der Ägäis verzeichneten 11 Todesfälle, so schrecklich sie sind, einen erheblichen
Rückgang der Zahl der Todesopfer dar, denn im Gesamtjahr 2015 kamen insgesamt mehr als
270 Menschen ums Leben.
Der EU-Koordinator der Kommission hält laufend Kontakt zu den griechischen und
türkischen Behörden, den EU-Agenturen, den internationalen Organisationen und den
anderen Mitgliedstaaten. Die EU-Agenturen leisten wesentliche, unerlässliche Unterstützung.
Ihre Tätigkeit ist allerdings weitgehend von der Bereitstellung von Experten durch die
Mitgliedstaaten abhängig, die jedoch stetig hinter dem Bedarf zurückbleibt. Mit Stand vom
26. September hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen 83 Dolmetscher sowie
70 Experten aus den Mitgliedstaaten (davon 41 in den Hotspots) in Griechenland im Einsatz.
Da in den Hotspots 100 Experten benötigt werden, fehlen derzeit 59 Personen für die
Unterstützung der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei. Was die Unterstützung an der
Grenze betrifft, so hat Frontex mit Stand vom 25. September 699 Bedienstete in Griechenland
im Einsatz, von denen insgesamt 675 für die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei eingesetzt
werden.
Europol hat acht Experten in Griechenland stationiert, um die Ermittlungen gegen die
Schleusung von Migranten zu unterstützen. Außerdem haben die Mitgliedstaaten unlängst
zehn Beamte abgestellt, die in den Hotspots eingehendere Überprüfungen in der zweiten
Kontrolllinie durchführen sollen. Diese Einsatzkräfte reichen zwar für die gegenwärtigen
Anforderungen aus, bei einer künftigen Zunahme der Migrationsströme müssen die
Ressourcen jedoch möglicherweise angepasst werden.
Die EU leistet finanzielle Unterstützung für die türkische Küstenwache, die die irregulären
Migrationsströme eindämmen und letztlich unterbinden soll. Die Mittel dienen unter anderem
zur Beschaffung von sechs Such- und Rettungsschiffen, wobei auch die dafür nötige
Ausbildung bereitgestellt wird. Die ersten Schiffe werden voraussichtlich im Februar 2017
ausgeliefert.
Wenngleich es infolge des Putschversuchs innerhalb der Strafverfolgungsbehörden, beim
Militär und in der öffentlichen Verwaltung zu gewissen Veränderungen gekommen ist –
beispielsweise wurden die türkische Gendarmerie und die Küstenwache umstrukturiert und
ziviler Kontrolle unterstellt –, wird die Patrouillentätigkeit seitens der zuständigen türkischen
Behörden offenbar auf einem ähnlichen Niveau fortgeführt. Die türkische Küstenwache
leistete auf entsprechende Ersuchen vonseiten der griechischen Behörden hin auch weiterhin
Unterstützung auf See.
Nach dem Putschversuch wurden die türkischen Verbindungsbeamten von den griechischen
Inseln abberufen. Bislang sind sie noch nicht zurückgekehrt. Ein türkischer
Verbindungsbeamter in den Niederlanden arbeitet mit Europol ebenfalls an mit der
Schleusung von Migranten zusammenhängenden Fragestellungen.
Die Erklärung sieht die Rückführung aller neuen irregulären Migranten und Asylsuchenden
vor, die nach dem 20. März aus der Türkei auf den griechischen Inseln ankommen und deren
Asylanträge für unzulässig oder unbegründet erklärt wurden. Die Maßnahmen werden unter
vollkommener Einhaltung der Bestimmungen des EU-Rechts und des Völkerrechts und unter
uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung durchgeführt.
Seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 2016 wurden im Rahmen der Erklärung 116 Personen
rückgeführt, die irregulär nach Griechenland gekommen waren,6
darunter 22 Syrer. Damit
beläuft sich die Gesamtzahl der im Rahmen der Erklärung EU-Türkei in die Türkei
rückgeführten Personen auf 578. Darunter waren auch pakistanische, algerische, ägyptische,
marokkanische, jemenitische, irakische, libanesische und palästinensische Staatsbürger. Die
rückgeführten Personen hatten abschlägige Asylentscheidungen (darunter auch negative
Entscheidungen in zweiter Instanz) erhalten, hatten ihren Asylantrag zurückgezogen oder sich
nicht um Asyl beworben.
Griechenland hat Rechtsvorschriften zur Einrichtung der neuen Rechtsbehelfsbehörde und
der neuen Rechtsbehelfsausschüsse verabschiedet, die seit dem 20. Juli eingelegte
Rechtsbehelfe gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen des griechischen Asyldiensts in
zweiter Instanz prüfen.7 Die Arbeit dieser Ausschüsse ist entscheidend, um ein
ordnungsgemäßes Verfahren bei der Prüfung von Asylanträgen im Einklang mit EU- und
internationalen Normen zu gewährleisten. Die Rechtsbehelfsausschüsse brauchen nun die
nötigen Ressourcen, um uneingeschränkt zu arbeiten, damit die Bearbeitung dieser
Rechtsbehelfe beschleunigt und so gewährleistet wird, dass die Zielvorgabe von rund 500
bearbeiteten Fällen pro Monat (also 100 Fälle pro Ausschuss) erreicht wird; Asylverfahren
auf den griechischen Inseln im Zusammenhang mit der Erklärung EU-Türkei sollten
vorrangig behandelt werden.
In der Türkei umfassten die rechtlichen Entwicklungen auch die Anwendung der Vorschriften
zu Arbeitserlaubnissen, was zu 10 584 Anträgen auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis durch
syrische Staatsangehörige führte. Mehr als 8000 wurden bislang bewilligt, das sind bereits
doppelt so viele wie im Gesamtjahr 2015.
Was das Rückübernahmeabkommen der EU mit der Türkei betrifft, ist bei der Umsetzung der
Bestimmungen zu Drittstaatsangehörigen kein Fortschritt zu verzeichnen. Der türkische
Ministerrat hat bisher die Entscheidungen über die Genehmigung der Anwendung dieser
Bestimmungen noch nicht getroffen. Bei der Umsetzung der Bestimmungen des
Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei hat es indes einige Fortschritte
im Zusammenhang mit der Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger gegeben.
Seit Vorlage des zweiten Berichts am 15. Juni 2016 hat die Kommission im Rahmen des
Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und des Fonds für die innere Sicherheit mehr als
90 Mio. EUR Soforthilfe gewährt, um die griechischen Aufnahmekapazitäten und die
Unterstützung für Migranten und Flüchtlinge zu verbessern.14 Diese jüngste Soforthilfe
ergänzt die zuvor gewährten Soforthilfen: Seit Anfang 2015 wurden im Rahmen dieser EUFonds
rund 352 Mio. EUR gewährt, um Maßnahmen in Griechenland zu unterstützen.
Griechenland hat im Rahmen der nationalen Programme 509 Mio. EUR für den Zeitraum
2014 - 2020 erhalten; diese Programme werden derzeit überarbeitet, um sie besser auf die
aktuellen Bedürfnisse Griechenlands abzustimmen. Beträchtliche EU-Mittel (etwa
198 Mio. EUR) werden den Partnern für humanitäre Hilfe durch das kürzlich geschaffene
Soforthilfeinstrument der EU zur Verfügung gestellt. Diese Unterstützung soll die
grundlegenden humanitären Bedürfnisse von Migranten und Flüchtlingen decken helfen –
dazu gehören Unterkünfte, Sanitäranlagen und Gutscheine, um Nahrungsmittel und andere
Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Sie umfasst auch eine spezielle Bildungsförderung für
Kinder und unbegleitete Minderjährige.
Nach den neuesten Zahlen wurden mit Stand vom 26. September im Rahmen der 1:1-
Regelung 1614 Syrer in der EU neu angesiedelt. Diese Regelung besagt, dass die EU für
jeden von der Türkei rückübernommenen Syrer von den griechischen Inseln einen Syrer aus
der Türkei in der EU neu ansiedelt. Insgesamt wurden seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni
1103 Syrer aus der Türkei in zwölf Mitgliedstaaten (Belgien, Estland, Finnland, Frankreich,
Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Portugal, Spanien und Schweden)15
neu angesiedelt. Damit erhöht sich die Zahl der Mitgliedstaaten, die Neuansiedlungen im
Rahmen der Regelung vornehmen, auf 1316
. Ferner wurden die Neuansiedlungen, die Mitte
Juli im Anschluss an den versuchten Staatsstreich unterbrochen wurden, im August wieder
aufgenommen. Die Zahl der Personen, die die erforderlichen Verfahren durchlaufen haben
und bereit für eine Neuansiedlung sind, beläuft sich auf 509. Wie man sieht, hat sich das
Tempo der Neuansiedlungen im Vergleich zu den Rückübernahmen von den griechischen
Inseln beträchtlich erhöht. Und dieses Tempo muss beibehalten werden.
Die Bemühungen zur Kontrolle der Migrationsströme in der Ägäis haben bisher nicht zur
Entstehung größerer alternativer Routen aus der Türkei geführt. Dennoch weist die Tatsache,
dass nach wie vor Menschen in Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich gelangen, auf
die Möglichkeit hin, dass sie einen Weg aus der Türkei finden. Einige Schiffe haben die
längere Route in andere Mitgliedstaaten zurückgelegt: 24 Schiffe aus der Türkei haben im
Berichtszeitraum Italien erreicht. Es gab auch es mehr festgestellte irreguläre Grenzübertritte
an den türkischen Landgrenzen mit Bulgarien und Griechenland.
Daher ist es wichtig, die Situation fortlaufend zu überwachen und präventive Maßnahmen zu
ergreifen. Verstärkte Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den türkischen
Behörden und Behörden der Mitgliedstaaten werden bei der Bewältigung neuer Risiken eine
wichtige Rolle spielen. Innerhalb der EU wurden Maßnahmen ergriffen, um besonders
gefährdete Grenzen zu schützen. Zum Beispiel hat Frontex auf Ersuchen der bulgarischen
Behörden um zusätzliche Unterstützung allmählich seine Präsenz an den Grenzen Bulgariens
mit der Türkei (und auch mit Serbien) verstärkt. Seit 26. September wurden in Bulgarien
177 Experten eingesetzt, es besteht jedoch nach wie vor eine erhebliche Lücke im Vergleich
zu den 345 vereinbarten Sachverständigen. Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten
dringend auf, auf die Aufforderungen von Frontex zu reagieren. Darüber hinaus hat die
Kommission Bulgarien vor kurzem bis zu 108 Mio. EUR an Soforthilfe für die verstärkte
Grenzüberwachung und Migrationssteuerung an seinen Außengrenzen mit der Türkei, Serbien
und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zur Verfügung gestellt. Weitere
Anträge Bulgariens auf zusätzliche Soforthilfen von bis zu 52 Mio. EUR werden zurzeit noch
geprüft. Der bevorstehende Einsatz der europäischen Grenz- und Küstenwache sollte
entscheidend zur Wirksamkeit und Kohärenz des Schutzes der EU-Außengrenze beitragen.
Die Beitrittsverhandlungen zu Kapitel 33 (Finanz- und Haushaltsvorschriften) wurden am
30. Juni im Einklang mit der Erklärung EU-Türkei eröffnet. Unbeschadet der Standpunkte der
Mitgliedstaaten wurden die Vorarbeiten für die Aufnahme von Verhandlungen zu fünf
weiteren Kapiteln im Einklang mit den geltenden Bestimmungen fortgesetzt.
Die humanitäre Lage in Syrien ist nach wie vor katastrophal. Nach Angaben der Vereinten
Nationen sind 4,8 Millionen Syrer aus dem Land geflohen, und 6,1 Millionen Menschen
wurden zu Binnenvertriebenen, wobei geschätzte 13,5 Millionen Menschen in Syrien heute
Hilfe benötigen. Rund 5,5 Millionen dieser Menschen befinden sich in schwer zugänglichen
Gebieten und mehr als eine halbe Million in Gebieten, die derzeit unter Belagerung sind,
darunter im Osten von Aleppo. Um den humanitären Bedürfnissen dieser Menschen gerecht
zu werden, ist es entscheidend, dass die EU und die Türkei zusammenarbeiten und aus
Nachbarländern wie der Türkei und Jordanien grenzüberschreitende Unterstützung geleistet
wird.