Montag, 24. Oktober 2016

Ratingagenturen in Europa



Die Ratingbranche wird derzeit von drei US-Unternehmen (S&P, Moody‘s und Fitch) mit globaler Marktabdeckung  aller Anlageklassen (Unternehmensanleihen, Staatsanleihen, SFI und gedeckte Schuldverschreibungen  und einem kumulierten relativen Marktanteil in der EU von annähernd 92 % beherrscht.

Obgleich neue Unternehmen den Eintritt in den europäischen Ratingmarkt - welcher sich derzeit aus 26 registrierten und vier zertifizierten Ratingagenturen zusammensetzt  - vollzogen haben, bewerten die meisten der kleineren Ratingagenturen nur eine begrenzte Zahl an Anlageklassen, und ihre grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten und ihre geografische Reichweite sind eingeschränkt.

Die oligopolistische und hochkonzentrierte Struktur der Ratingbranche - sowohl insgesamt als auch Einzelproduktebene - legt die Vermutung nahe, dass die größten, global agierenden Ratingagenturen grundsätzlich in der Lage sind, ihre Marktmacht gewinnbringend einzusetzen, um eine Anhebung der Preise oberhalb des Wettbewerbsniveaus zu erzielen oder um die Auswahlmöglichkeiten der angebotenen Dienstleistungen einzuschränken bzw. ihre Qualität zu senken.

Alle Ratingagenturen fungieren als Plattform, die Zugang zu einem Netzwerk aus Emittenten und Anlegern gewährt, und in der Angebot und Nachfrage in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Emittenten ziehen es vor, auf jene Ratingagenturen zurückzugreifen, die von der größten Zahl maßgeblicher Anleger anerkannt werden, und Anleger wollen Ratingagenturen heranziehen, die jene Emittenten und Instrumente bestmöglich abdecken, für die sie sich interessieren.

Ungeachtet der 2013 in die Ratingagenturen-Verordnung aufgenommenen Änderungen war bei einer Bewertung auf Grundlage der ausschließlich im Ratinggeschäft erzielten Umsatzerlöse insgesamt ein leichter Anstieg des Konzentrationsgrads im Ratingmarkt festzustellen. Bewertungen des Marktanteils, die auf den Gesamterträgen (Erträge aus Ratingdienstleistungen und Nebendienstleistungen) beruhen, weisen im Vergleich zu solchen, die sich ausschließlich auf Erlöse aus Ratingdienstleistungen stützen, niedrigere Konzentrationsgrade auf. Allerdings wird die Berechnung der Marktanteile auf Grundlage der Gesamterlöse durch das Fehlen einer allgemein anerkannten Definition und Behandlung von „Nebendienstleistungen“ erschwert.

Hieraus könnte geschlossen werden, dass Nebendienstleistungen für kleinere Ratingagenturen von Bedeutung sind, während sich größere Ratingagenturen stärker auf Erlöse aus dem Ratinggeschäft stützen. Im Hinblick auf Rating-Formen ist außerdem die Marktkonzentration bei Unternehmensanleihen angestiegen (höchste Marktkonzentration), während sie bei Länderratings und SFI gesunken ist.

Die Mehrheit der Emittenten neigt dazu, anstelle einer Vielzahl an Ratingagenturen lediglich eine oder zwei in Anspruch zu nehmen, und ihre Auswahl wird wesentlich von der Akzeptanz der Ratingagentur vonseiten der Anleger, Aufsichtsbehörden und Zentralbanken bestimmt. Darüber hinaus scheint es, als erhielten Ratingagenturen mit einem globalen Abdeckungsgrad deutlich den Vorzug, worin sich die Tatsache spiegelt, dass Reputation innerhalb der Ratingbranche von ausschlaggebender Bedeutung ist. Allem Anschein nach hängt die Wahl der Ratingagentur in hohem Maß von ihrem Bekanntheitsgrad ab. Ein stark konzentrierter Markt stellt ein Risiko für die Stabilität des Finanzsystems dar, wenn Ratingagenturen ihr Verhalten untereinander beobachten und mit der Veröffentlichung ähnlicher Beurteilungen der Bonität der Emittenten reagieren, wie es im Rahmen der letzten Finanz- und Staatsschuldenkrise zu beobachten war.

Hinsichtlich der aufsichtsrechtlichen Barrieren hat sich der Europäische Verband der Ratingagenturen (EACRA) besorgt über den Ausschluss der Mehrheit der registrierten Ratingagenturen von der im Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem (ECAF) im Hinblick auf die Annahme von Sicherheiten verwendeten Liste externer Ratingagenturen (external credit assessment institutions, ECAI)  gezeigt, da hierdurch Wettbewerb unterdrückt werden könnte  . ECAI müssen tatsächlich mehrere operationale Kriterien erfüllen und einschlägige Abdeckungsgrade aufweisen: Insbesondere müssen sie die Anforderungen an den Mindestabdeckungsgrad erfüllen, die im Eurosystem im Hinblick auf die bewerteten Vermögenswerte, Emittenten und Volumina innerhalb der zulässigen Anlageklassen und der Länder des Euro-Währungsgebiets festgelegt wurden. Infolgedessen werden gegenwärtig von der EZB nur Ratingagenturen als ECAI anerkannt, die für das Finanzsystem von systemischer Bedeutung sind, nämlich S&P, Moody‘s, Fitch und DBRS – und hierdurch könnte der Wettbewerb im Ratingmarkt eingeschränkt werden. Wie in der technischen Beratung der ESMA ausgeführt wird, bleiben Ratings im Rahmen der von einigen Zentralbanken in der EU verwendeten Bewertungsrahmen für Sicherheiten ein Faktor mit erheblichen Auswirkungen auf die internen Bewertungsverfahren der Finanzmarktteilnehmer. Ein Weg zur Abschwächung dieser Marktzutrittsbarriere bestünde in der Verminderung des Rückgriffs auf Ratings innerhalb des Rahmenwerks für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem (ECAF) der EZB.

Das allgemeine Ziel der Änderungen, die 2013 im Hinblick auf Wettbewerb in die Ratingagenturen-Verordnung aufgenommenen wurden, war es, den Wettbewerb zwischen Ratingagenturen zu stärken und die Inanspruchnahme kleinerer Ratingagenturen zu fördern. Die genannten Änderungen umfassten insbesondere ein obligatorisches doppeltes Rating für SFI   als Anreiz, im Falle eines doppelten Ratings zumindest eine kleine Ratingagentur zu beauftragen.

Gemäß Artikel 8c sind Emittenten verpflichtet, doppelte Ratings für SFI in Auftrag zu geben, um ein unabhängiges zweites Rating zu gewährleisten. Diese Bestimmung würde sich nur dann auf den Markt auswirken, wenn das zweite Rating veröffentlicht oder Anlegern kenntlich gemacht wird; In diesem Fall wären Anleger und Emittenten in der Lage, Ratings zum selben Finanzinstrument zu vergleichen. 

So würden die zur Aufrechterhaltung einer hohen Reputation aufzubringenden Kosten steigen, da große Unterschiede zwischen den Bewertungen verschiedener Ratingagenturen Zweifel an der Qualität der Ratings selbst aufkommen lassen könnte. Wenn Anlegern darüber hinaus bekannt ist, dass Emittenten ein zweites Rating einholen müssen, fordern sie möglicherweise seine Veröffentlichung ein, auch wenn dies gesetzlich nicht erforderlich ist. Folglich würden Finanzinstrumente, zu denen keine zweite Bewertung offengelegt wurde, möglicherweise als minderwertig wahrgenommen werden. 


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