Sonntag, 30. Oktober 2016

Kapazitätsauslastung Lehramtstudienplätze


Zu Beginn des Schuljahres 2016/2017 stieg die Anzahl der Schülerinnen und Schüler um 4.640 auf 192.885. Zugleich ist es nicht gelungen, die anvisierte Anzahl von 270 Lehrern einzustellen. Damit lag die Unterrichtsversorgung nach Auskunft des Ministeriums für Bildung an den allgemeinbildenden Schulen bei 100,3 Prozent. Um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Unterrichtsversorgung von durchschnittlich 103 Prozent zu sichern, sind auch die Ausbildungskapazitäten in den bestehenden Lehramtsstudiengängen an den Universitäten des Landes und Referendariatsplätze verstärkt zu nutzen.

 Zurzeit sind an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im Lehramt an Grundschulen 646 Studierende, im Lehramt an Sekundarschulen 628, im Lehramt an
 Gymnasien 1.217 und im Lehramt an Förderschulen 430 Studierende eingeschrieben. Insgesamt befinden sich 2.921 Studentinnen und Studenten in einem Lehramtsstudiengang. (Angaben Stand 15. September 2016, Prüfungsamt für Lehrämter des Zentrums für Lehrerbildung) Bis zum 30. September 2016 konnten sich Interessierte noch für zulassungsfreie Fächer der Lehrämter an Sekundarschulen und Gymnasien einschreiben. An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OvGU) studieren gegenwärtig 443 Studierende (SoSe 2016) in einem Lehramtsstudiengang.

 Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stellt fest, dass die Kapazitäten der Lehrämter an Grundschulen und Förderschulen hinreichend ausgeschöpft sind. Nicht ausgeschöpft sind Studienplätze in bestimmten Fächern des Gymnasiums. In dieser Schulform blieben Studienplätze in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern unbesetzt. Ausnahmen bilden die Fächer Biologie und Geographie. Es gelingt offensichtlich selten, Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften für Schülerinnen und Schüler attraktiv zu machen. Im Lehramt an Gymnasien existieren

mitunter auch Vakanzen in den Fremdsprachen. Spanisch und Italienisch stellen Fächerangebote an den Schulen dar, die nicht in jeder Schule als zweite Fremdsprache vorgehalten werden können. Seitens des Bildungsministeriums wird die Kombination dieser beiden Fächer auch nicht empfohlen. Als Barriere für die Wahl des Faches Französisch sieht die Universität Halle die fachspezifischen Zugangsvoraussetzungen im Sprachniveau. Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat eine Studienplatzkapazität für die Lehramtsausbildung von knapp 200 Plätzen.

 Die an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg kapazitätsmäßig zur Verfügung stehenden Lehramtsstudienplätze konnten in den vergangenen Jahren nicht in vollem Umfang mit Studierenden belegt werden. Die Besetzung von Studienplätzen in den gewerblich-technischen Fachrichtungen (Metall-, Elektro-, Prozess-, Informations- und Bautechnik) ist seit Jahren bundesweit problematisch und kein regionalspezifisches Problem. Die von der Universität Magdeburg eingegangenen Kooperationen mit den Hochschulen Merseburg und Magdeburg-Stendal stellen einen erfolgversprechenden Ansatz dar, diesem Mangel zukünftig zu begegnen. Die tatsächliche langfristige Nachfrageentwicklung in diesem Bereich lässt sich jedoch nur schwer prognostizieren.

Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg realisiert seit Anfang 2008 umfangreiche Marketing-Aktivitäten zur Gewinnung von Studierenden. Die Zielstellungen bestehen in der Erhöhung des bundesweiten Bekanntheitsgrades der MLU und der Studienangebote, der Kommunikation der Attraktivität eines Studiums an der Universität und in der Stadt Halle sowie in der bestmöglichen Ausnutzung des Bewerberpools. Die Zahl der Studierenden ist seitdem kontinuierlich gestiegen. Mit 65 von 263 Studienangeboten der MLU nehmen die Lehramtsstudiengänge 25 % ein; bezogen nur auf die 169 grundständigen Studienangebote liegt der Anteil sogar bei fast 40 %. Dementsprechend profitieren diese erheblich von der auf hohem Niveau erfolgenden bundesweiten Werbung, Information und Beratung sowie Mehrwertangeboten.

 Die Geschäftsstelle des Zentrums für Lehrerbildung berät ausführlich in verschiedenen Veranstaltungsrahmen und in besucherfreundlichen Sprechzeiten Schülerinnen und Schüler, die ein Lehramtsstudium beginnen oder Interessierte, die ihr Studium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg fortsetzen wollen, über das Studienangebot. In Zusammenarbeit mit der Allgemeinen Studienberatung und der Stabsstelle Hochschulmarketing werden Studieninformationsveranstaltungen offeriert sowie Einladungen zu Bildungsmessen und Vorträgen in Berufsinformationszentren, Gymnasien und Primegymnasien wahrgenommen. Den Bewerberinnen und Bewerbern wird empfohlen, eine Kombination zu wählen, in der mindestens eines der Fächer Mathematik, Physik, Biologie, Deutsch, Englisch, Französisch, Geschichte, Musik, Sport vertreten ist. Während dieser Veranstaltungen wird die Gelegenheit genutzt, um auf die guten Studienbedingungen in den Naturwissenschaften, Informatik und Mathematik (beispielweise Einsatz von Tutorinnen und Tutoren im Bereich Mathematik) sowie die günstigen Einstellungsmöglichkeiten für diese Fächer hinzuweisen.

Bewerbungen, die zum jeweiligen Einstellungstermin keine Berücksichtigung finden, werden in das nächstfolgende Auswahlverfahren unter Anrechnung einer Wartezeit übernommen, ohne dass eine erneute Bewerbung erforderlich ist. Gründe für entstehende Wartezeiten sind unterschiedlich. Im Lehramt an Gymnasien resultieren Wartezeiten in der Regel daraus, dass weit mehr Bewerbungen erfolgen als Plätze zur Verfügung stehen. Weiterhin kommt in diesem Lehramt zum Tragen, dass insbesondere die Fächer Griechisch, Italienisch und Spanisch nicht an allen Schulen vorgehalten werden und es somit an ausreichenden Lerngruppen für die Ausbildung fehlt. Wartezeiten entstehen auch, wenn Bewerber zum jeweiligen Einstellungstermin noch nicht zur Verfügung stehen. Die nachfolgend aufgeführten Gründe betreffen neben den Wartefällen für das Lehramt an Gymnasien hauptsächlich die Wartefälle in den anderen Lehrämtern.

 

Situation in der privaten Krankenversicherung



Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung (PKV) müssen für jede privat Krankenversicherte und jeden privat Krankenversicherten Alterungsrückstellungen bilden, um das höhere Krankheitsrisiko im Alter und damit hö- here Beiträge durch Alterung abzufedern. Die Mittel für die Rückstellungen legt die PKV auf den Kapitalmärkten an. Der zu erwartende zukünftige Zins und Zinseszins wird zur Deckung der kalkulierten erwarteten Kosten in die Beitragsberechnung einbezogen. Von der Höhe des Rechnungszinses und des darüber hinaus erzielten Überzinses hängt ab, wie hoch der Beitrag in jüngeren Jahren sein muss, damit die angestrebte Höhe der Alterungsrückstellungen auch erreicht werden kann. Damit wird deutlich, wie stark die PKV von den Auswirkungen der langanhaltenden Niedrig- und Null-Zinsphase betroffen ist. Niedrige Zinsen bedeuten für die Unternehmen geringe Erträge bei der Kapitalanlage der angesparten Rückstellungen.

Uwe Laue, Vorsitzender des PKV-Verbandes, erläuterte, dass die Versichertenzahl in der Krankenvollversicherung im vergangenen Jahr erneut um 47 100 oder 0,5 Prozent gesunken sei (versicherungswirtschaft-heute.de vom 24. Juni 2016). Die Einnahmen durch Versicherungsbeiträge fielen folglich niedriger aus. Weiterhin sind die Leistungsaufwendungen im Jahr 2015 deutlich stärker gestiegen als die Beitragseinnahmen (ÄrzteZeitung vom 24. Juni 2016, „Rechenschaftsbericht: PKV mit deutlichem Ausgabenanstieg“). Die wirtschaftliche Situation der PKV-Unternehmen scheint sich demnach weiter zu verschlechtern. Es liegt auf der Hand, dass damit auch die Prämienbelastungen für die privat Krankenversicherten steigen werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übt die Aufsicht über die privaten Krankenversicherungen aus. Aufgrund vieler gesetzlicher Regelungen, die die PKV betreffen und der Kontrolle durch die BaFin unterstehen, liegen ihr daher umfangreiche Daten über die Branche vor.

Nach § 152 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes sind Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche die substitutive Krankenversicherung betreiben, seit dem 1. Januar 2009 zum Angebot eines branchenweit einheitlichen Basistarifs verpflichtet, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe der gesetzlichen Krankenversicherung jeweils vergleichbar sind. Die konkrete Ausgestaltung des Leistungsumfangs im Basistarif obliegt dem PKV-Verband unter Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (§ 158 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes). Diesem Auftrag ist der PKV-Verband mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen 2009 für den Basistarif (AVB/BT 2009) nachgekommen. Um die Beitragsentlastungswirkung beim Wechsel aus der klassischen Tarifwelt in den Standardtarif zu erreichen, orientiert sich das Leistungsniveau des Standardtarifs grundsätzlich am Leistungsniveau der GKV, kann aber bei bestimmten Leistungen auch davon abweichen. So sieht der Leistungskatalog des Standardtarifs z. B. keine Haushaltshilfe oder keine Soziotherapie vor.

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass trotz der Maßgabe, dass die Vertragsleistungen „vergleichbar“ sein müssen, eine ausreichende Möglichkeit zur konkretisierenden Definition des Leistungsrechts unter Berücksichtigung der Besonderheiten der privaten Krankenversicherung eingeräumt werden muss. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen seines Urteils vom 10. Juni 2009 (BVerfG, 1 BvR 706/08 vom 10. Juni 2009) bestätigt, dass der Maßstab „vergleichbarer Leistungen“ keineswegs einen Zwang schafft, sämtliche Detailregelungen aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in den Basistarif zu überführen. Gleiches gilt für den Leistungsumfang des Standardtarifs.

In Erwartung weiter fallender Rechnungszinsen wurde § 11 Absatz 2 KVAV (Berechnung der Prämien bei Prämienanpassung) mit Wirkung zum 22. April 2016 bereits ergänzt. Die Regelung eröffnet den Unternehmen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anlässlich einer Beitragsanpassung die Möglichkeit, Beitragsauswirkungen, die sich aus einer erforderlichen Anpassung des Rechnungszinses ergeben, über mehrere Jahre zu strecken. Hierdurch sollen für den Versicherungsnehmer eine insgesamt stetigere Beitragsentwicklung erreicht und unzumutbare Beitragssprünge vermieden werden. Die Zahl der Stufen ist im Interesse der Sicherheit der Kalkulation begrenzt. Die Möglichkeit zur Verwendung weiterer Mittel zur Begrenzung von Beitragsanpassungen bleibt ausdrücklich unberührt. Darüber hinaus zeigen die durch den Gesetzgeber implementierten Maßnahmen zur Beitragsstabilisierung im Alter und zur Direktgutschrift aus dem Zinsüberschuss (§§ 149 und 150 VAG) Wirkung. Dies lässt sich an dem Anteil der aus diesen Maßnahmen stammenden Mittel an den Alterungsrückstellungen und insbesondere an den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen, die den Alterungsrückstellungen zugeführt werden, ablesen.


Unter Berücksichtigung der knapp 43 Millionen bestehenden Verträge (Stand: 31. Dezember 2015) in der Krankenvoll-, Zusatz- und Pflegeversicherung, für die der Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung zuständig ist, errechnet sich eine Beschwerdequote von rund 0,013 Prozent. Hochgerechnet auf die einzelnen Leistungsfälle pro versicherte Person wird diese Zahl noch weitaus kleiner. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich einige Beschwerden gar nicht auf die Private Krankenversicherung bezogen und bereits aus diesem Grund unzulässig waren. Von den im Berichtsjahr eingegangenen Beschwerden waren 4 015 und damit 69,6 Prozent zulässig. 79,6 Prozent der Beschwerden entfielen auf die Krankheitskostenvollversicherung.






Kinderehen in Deutschland


Nach geltendem deutschem Recht ist die Ehe von Minderjährigen grundsätzlich nicht erlaubt. In Deutschland beginnt die Ehefähigkeit regelmäßig mit Vollendung des 18. Lebensjahres, mithin die Volljährigkeit. Im Ausnahmefall ist die Eheschließung im Alter von 16 Jahren mit Zustimmung des Familiengerichts möglich. Das geltende Recht bestimmt in Art. 13 Abs. 1 EGBGB, dass die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates unterliegen, dem er  angehört. Das hat regelmäßig zur Folge, dass im Ausland geschlossene Ehen in Deutschland grundsätzlich als wirksam angesehen werden. Der Anstieg von Kinderehen in den zurückliegenden Monaten ist insbesondere auf die gestiegene Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden zurückzuführen. Dabei handelt es sich meist um minderjährige Mädchen, die in ihren Heimatländern mit einem viel älteren Mann verheiratet wurden.

Vor dem Hintergrund der im Ausland geschlossenen Ehen von unter 18-Jährigen fragt sich nunmehr, ob Änderungen im Recht der Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen geboten sind und ob die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Ehemündigkeit dahingehend geändert werden sollten, dass nur Volljährige eine Ehe eingehen können. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen, die diesen Fragen nachgehen und erforderlichenfalls einen Gesetzesvorschlag unterbreiten soll.

Änderung Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)


Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zur Verbesserung der Verbraucherfreundlichkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Umsetzung der nachstehenden Punkte als Verpflichtungen für die Anbieter zu prüfen:


  • Die für Verbraucherinnen und Verbraucher wesentlichen und für den jeweiligen Vertrag relevanten Punkte der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Beginn des Bedingungstextes zu platzieren oder diesem in klarer und knapper Form voranzustellen und bedeutende Passagen zusätzlich hervorzuheben. Hierbei werden insbesondere das Zustandekommen eines Vertrages und dessen Rückabwicklung (Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen; Rücktrittsrecht; Widerrufsbelehrung; im Kaufrecht: mögliche Rücksendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechts) sowie die Punkte „Zusatzkosten des Vertrages“ und „Datenschutz“ als wesentlich und relevant erachtet. 

  • Bei Änderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich während eines Vertragsverhältnisses ergeben, diese Änderungen hervorzuheben bzw. gesondert in einer Synopse (Vergleich geltende und neue Fassung) voranzustellen und nach Möglichkeit eine Bestätigung nur für diese Änderungen vorzusehen. Weiterhin sollten die Auswirkungen der Änderungen für die Verbraucherinnen und Verbrauchern in klarer und knapper Form erläutert werden. 
  • Klar formulierte Zwischenüberschriften und eine übersichtlichere Bezifferung auch im Inhaltsverzeichnis zur leichteren Orientierung im Bedingungstext. Leichte Lesbarkeit und Verständlichkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine insgesamt kürzere Fassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 
  • Eine zumindest brancheneinheitliche Gliederung für alle Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur besseren Vergleichbarkeit verschiedener Verträge im Hinblick auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 

Verbraucherinnen und Verbraucher werden in vielen Alltagssituationen mit vorformulierten Vertragsklauseln konfrontiert, deren Inhalt sie bei Vertragsschluss aber sehr häufig entweder gar nicht oder nur unzureichend zur Kenntnis nehmen. Dies betrifft in der Praxis insbesondere online, d.h. außerhalb von Geschäftsräumen, geschlossene Verträge, konkret Kaufverträge, Dienstleistungsverträge sowie Dauerschuldverhältnisse im Bereich der Telekommunikation/Internet sowie im Bereich der Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Fernwärme. Mit dem „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013“ (BGBl. I S. 3624) wurden zwar beispielsweise mit der Einfügung des § 312j BGB sowie der Änderungen des Einführungsgesetzes zum BGB (Art. 246 und 246a EGBGB) für diese Vertragsgestaltungen grundlegende In-formationspflichten des Unternehmers festgeschrieben. Diese Pflichten beschreiben aber nicht Art und Weise sowie den Umfang der Information über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

 Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Verbraucherzentrale vom Oktober 2014 akzeptieren 53 Prozent der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ohne sie gelesen zu haben. Grund sind die oft seitenlangen und komplizierten Darstellungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Vor allem die jüngeren Befragten nennen überdurchschnittlich häufig die Länge und Komplexität der AGB als Hauptgrund für deren Außerachtlassung (18-29 Jahre: 83 %; 30-39 Jahre: 88 %), während die über 60- Jährigen dieser Begründung mit nur 50 % am vergleichsweise wenigsten zustimmen. Laut US-Forschern wäre ein Internetnutzer im Durchschnitt pro Jahr 1.500 Stunden allein mit dem Lesen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschäftigt. Die mangelnde Bereitschaft, sich mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Datenschutzbestimmungen eingehend zu beschäftigen, hat seinen Grund in der Länge und der Unverständlichkeit sowie der Formulierung der meisten Texte. Nachteilige Regelungen für den Verbraucher sind oftmals in komplizierten und für Nichtjuristen unverständlichen Formulierungen versteckt. Ein besseres Verständnis auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbraucher könnte die Nutzer veranlassen, eine andere Wahl zu treffen, bei einem anderen Sozialen Netzwerk mitzumachen oder woanders einzukaufen.

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass zukünftig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbraucherfreundlicher ausgestaltet werden. Dies kann im Rahmen einer Änderung des BGB oder aber zunächst modellmäßig z.B. Versicherungsvertrags- und Fernabsatzvertragsrecht erfolgen. Oft verspricht die Werbung etwa bei Dauerschuldverhältnissen, wie bspw. einem Telekommunikations-/Internetvertrag einen Allround-Tarif (Flatrate), aber in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und/oder Leistungsbeschreibungen finden sich eine Vielzahl einschränkende Details, die viele Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erkennen und folglich auch nicht in ihre Entscheidung über ein bestimmtes Produkt einbeziehen können.

Eine klar formulierte Auswahl der für den Vertrag relevanten Punkte könnte den Einstieg in die Bedingungswerke erleichtern und sollte diesen vorangestellt werden. Zwischenüberschriften und eine übersichtlichere Bezifferung, auch im Inhaltsverzeichnis, könnten zudem die Orientierung im Bedingungs-text erleichtern. Das sprichwörtliche Kleingedruckte sollte eine angemessene Schriftgröße haben. Ebenfalls farblich sollten die Inhalte gut erkennbar sein. Damit eine gute Lesbarkeit erreicht wird. Im Rahmen der Lebensmittelinformation gibt es bereits entsprechende rechtliche Vorgaben zur Lesbarkeit. Grundsätzlich sollten, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohne Einbußen bei der Verständlichkeit kürzer gefasst werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher durch den Umfang abschrecken lassen; dem könnte durch eine Kürzung begegnet werden. Soweit Branchen abgrenzbar sind, sollten innerhalb einer Branche die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zudem einheitlich gegliedert sein. Auf diese Weise werden die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt, verschiedene Angebote unterschiedlicher Anbieter miteinander zu vergleichen. Es ist davon auszugehen, dass der Anreiz, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu lesen, größer ist, wenn die Verbraucherin oder der Verbraucher weiß, wo ein bestimmter Aspekt zu finden ist. Positive Beispiele wie im Bereich der Versicherungsbranche, wo gemeinsam mit Sprachwissenschaftlern die Versicherungsbedingungen in eine Alltagssprache übersetzt wurden, ohne ihre Rechtssicherheit zu gefährden, können als Vorbild dienen.

In der Beschwerdepraxis der Bundesnetzagentur und der Verbraucherzentralen zeigt sich auch, dass es zwischen Endkunden und Anbietern immer wieder zu Unklarheiten bzgl. des Vertragsbeginns bzw. dem konkreten Vertragsende kommt. Diese erzeugen sodann Folgeprobleme bei der Abwicklung eines möglichen Anbieterwechsels oder Ärger mit unbeabsichtigt weiterlaufenden Verträgen, die durch die regelmäßige und deutlich erkennbare Information über Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelöst werden könnten. Eine gesetzliche Verpflichtung bei Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Unternehmen verpflichtet, wesentliche Abweichungen, wie die Verlängerung des laufenden Vertrages, Kündigungsfristen und Preisgestaltung, deutlich hervorzuheben bzw. darzustellen und diese durch Verbraucherinnen und Verbrauchern bestätigen zu lassen, wird deshalb ebenfalls für notwendig gehalten.


Nano Register in Deutschland


Nanomaterialien werden in Deutschland in zahlreichen Produkten eingesetzt, ohne dass die für die Marktüberwachung zuständigen Behörden einen Überblick über die Anwendungsbereiche hätten. Ohne genau zu wissen, welche Arten von Nanomaterialien worin in welchen Mengen eingesetzt werden, können die Behörden die von den Stoffen potenziell ausgehenden Risiken für Umwelt und Gesundheit nur eingeschränkt bewerten. Verbraucherinnen und Verbrauchern fehlt die Wahlfreiheit, sich bewusst für oder gegen nanomaterialhaltige Produkte zu entscheiden. Umwelt- und Verbraucherschutzverbände sprechen sich deshalb seit Jahren für ein Nanoproduktregister aus (siehe Bericht „Abschlusskonferenz der Nanokommission“, März 2011, S. 12: www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/ Download_PDF/Nanotechnologie/nanodialog_2_abschlusskonferenz_bf.pdf). Bereits 2009 hat das Europäische Parlament die Europäische Kommission mit fast einstimmiger Mehrheit aufgefordert, eine umfassende, öffentlich zugängliche Bestandsaufnahme über die auf dem Markt vorhandenen Nanomaterialien bzw. nanomaterialhaltigen Produkte zu schaffen. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat 2011 in seinem Sondergutachten zu Nanotechnologie die Einrichtung eines Nanoregisters empfohlen. Der Bundesrat forderte die Bundesregierung 2013 auf, sich auf EU-Ebene nachdrücklich für ein europaweites Nanoproduktregister einzusetzen.

Nach Ansicht des Umweltbundesamtes ist das vorgeschlagene „Nano Observatory“ nicht geeignet, das Ziel der Transparenz über Art, Menge und Anwendungen von Nanomaterialien auf dem europäischen Markt zu erreichen (www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/ nanomaterialien_in_der_umwelt.pdf). Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten sind aufgrund der Untätigkeit der Europäischen Kommission bereits auf nationaler Ebene aktiv geworden. In Frankreich müssen Hersteller, Importeure und Händler seit 2013 den Handel mit Nanomaterialien in Mengen über 100 Gramm melden. Dänemark, Belgien und Norwegen haben ebenfalls Nanoregister eingeführt. Weitere Länder, wie Schweden und Italien, wollen nachziehen (www.chemsafetypro.com/Topics/EU/Regulations_on_ Nanomaterials_in_EU_and_Nano_Register.html). Im kürzlich von der Bundesregierung beschlossenen „Aktionsplan Nanotechnologie 2020“ ist dagegen von einem Nanoregister keine Rede. Auf EU-Ebene gibt es darüber hinaus weitere Anforderungen für mehr Transparenz: Laut Kosmetikverordnung hätte die Europäische Kommission bis Januar 2014 eine Bestandsaufnahme über alle in Kosmetika verwendeten Nanomaterialien auf dem europäischen Markt veröffentlichen sollen, ein solcher Katalog wurde bisher nicht vorgelegt.

Die Lebensmittelinformationsverordnung schreibt seit Dezember 2014 vor, dass Lebensmittel, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten, gekennzeichnet werden müssen. Im Frühjahr 2016 hat die französische Umweltschutzorganisation Agir pour L’Environment vier Lebensmittel getestet, die alle Nanomaterialien enthielten, jedoch nicht entsprechend gekennzeichnet waren (www.agirpourlenvironnement.org/sites/default/files/communiques_presses/ Rapport%20LNE_P156452.DMSI_.001-VC.pdf). Neben den Versäumnissen, Transparenz über die auf dem Markt befindlichen nanomaterialhaltigen Produkte herzustellen, verschleppt die Europäische Kommission nach Ansicht der Fragesteller auch die Anpassung der europäischen Chemikalienverordnung REACH an die Besonderheiten von Nanomaterialien. Anfang 2013 einigten sich Europäische Kommission und Mitgliedstaaten darauf, die Anhänge der REACH-Verordnung anzupassen, damit die Anforderungen an Nanomaterialien vor dem Ablauf der letzten Stoff-Registrierungsfrist im Mai 2018 in Kraft treten.

Die Ansiedlung des EU-weiten „Nano Observatory“ bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) wird grundsätzlich begrüßt. Bei der ECHA laufen bereits jetzt die Daten aus den REACH-, CLP- und Biozid-Verfahren zusammen, so dass hier Synergieeffekte genutzt werden können. Mit dem Nano Observatory kann die Reichweite bestehender Informationsangebote der Bundesregierung, insbesondere der Wissensplattform Da-Na2.0 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) (www.nanopartikel.info) deutlich erhöht werden. Es kann auch genutzt werden, um Forschungseinrichtungen und Startups für eine frühe Auseinandersetzung mit möglichen Risiken von Materialinnovationen für Mensch und Umwelt zu motivieren und mit den Möglichkeiten einer anwendungssicheren und umweltverträglichen Material- und Produktgestaltung vertraut zu machen. Es ist jedoch notwendig, dass die Anpassung der einschlägigen Regelungen, insbesondere der REACH-Verordnung, an Nanomaterialien zügig vorangetrieben wird, um spezifische Informationen zu Nanomaterialien und zum sicheren Umgang mit ihnen zu erhalten. Ein Nano Observatory ohne sachgerechte Anpassung der einschlägigen Regelungen ist nicht zielführend.

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel müssen Bestandteile kosmetischer Mittel in der Form von Nanomaterialien eindeutig in der Liste der Bestandteile aufgeführt werden. Den Namen dieser Bestandteile muss das Wort „Nano“ in Klammern folgen. Mit dieser Kennzeichnung wird Transparenz im Hinblick auf die Verwendung von Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln gewährleistet. Weitere Angaben oder Informationen können durch Hersteller und Importeure zur Verfügung gestellt werden. Für interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher stellt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf seiner Internetseite (www.bfr.bund.de) eine Reihe von weitergehenden Informationen zu Nanomaterialien zu Verfügung.

Die Nanoskaligkeit eines Stoffes allein weist nicht automatisch auf ein Gefährdungspotenzial hin. Daneben bestimmen auch seine chemische Zusammensetzung, Morphologie und Oberflächeneigenschaften sowie die Eigenschaften des umgebenden Mediums seine Mobilität, Bioverfügbarkeit und toxische Wirkung in der aquatischen Umwelt. Viele der untersuchten Nanomaterialien zeigen nach Kurzzeitbelastung keine bzw. nur eine moderate bis geringe Toxizität auf aquatische Umweltorganismen. Eine hohe akute Toxizität auf aquatische Organismen kann für solche Nanomaterialien beobachtet werden, die aquatoxisch wirkende Ionen abgeben (z. B. Silber (Ag), Zinkoxid (ZnO)). Dabei können zusätzliche Effekte durch die Partikel nicht ausgeschlossen werden. Auch bestimmte, fotokatalytisch aktive Nanomaterialien (z. B. TiO2) zeigen in Labortests eine erhöhte aquatische Toxizität unter Einfluss von simuliertem Sonnenlicht. Neben der direkten toxischen Wirkung sind für eine Reihe von Nanomaterialien auch indirekte schädigende Effekte auf aquatische Umweltorganismen bei entsprechend hohen Konzentrationen beschrieben (z. B. das Blockieren von Atmungsorganen und Fressapparaten). Bei Fischen konnten darüber hinaus für einige Nanomaterialien subletale Effekte, wie Veränderungen in Geweben und Organen, Schädigungen der Kiemen und Entwicklungsstörungen in verlängerten Tests beobachtet werden. Zusätzlich wurde festgestellt, dass in Abhängigkeit des untersuchten Nanomaterials aquatische Organismen nach kurzzeitiger Belastung ein verändertes Verhalten zeigen, wie eine veränderte Futteraufnahme oder ein verstärktes Fluchtverhalten, oder deren Energiehaushalt beeinflusst wird. Umfassende und ausreichende Studien zur chronischen Wirkung auf Wirbeltiere wie Fische, die über das Larvenstadium hinausgehen, liegen noch nicht vor. Bei Langzeitbelastung von Flohkrebsen durch verschiedene Nanomaterialien wird ein negativer Einfluss auf Fortpflanzung und Nachkommenschaft beobachtet.
 
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die REACH VO grundsätzlich einen geeigneten Rechtsrahmen für eine Gefahreneinstufung und Bewertung von Stoffen in ihren Nanoformen darstellt. Deshalb setzt sie sich dafür ein, dass die Verordnung angepasst wird. Die Bundesregierung geht nach derzeitigem Kenntnisstand davon aus, dass die Europäische Kommission spätestens im ersten Quartal 2017 einen offiziellen Vorschlag für die Anpassung der Anhänge der REACHVerordnung an die Belange von Nanomaterialien vorlegen wird. Ein darüber hinaus geregeltes Zulassungsverfahren wird deshalb nicht für notwendig erachtet. Für den Arbeitsschutz enthält die Gefahrstoffverordnung konkrete Vorgaben zu partikelförmigen Gefahrstoffen und zum Umgang mit Datenlücken im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz. Diese sind auch für Nanomaterialien einschlägig und in einer Bekanntmachung des Ausschusses für Gefahrstoffe konkretisiert (www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/ Bekanntmachung-527.html). Hinsichtlich der spezifischen Vorschriften für Nanomaterialien in anderen Rechtsbereichen wird auf die Ausführungen im Aktionsplan Nanotechnologie 2020 der Bundesregierung verwiesen (www.bundesregierung.de/Content/DE/ Artikel/2016/09/2016-09-14-aktionsplan-nanotechnologie-2020.html). 

Nach Auskunft des Umweltbundesamtes gelten in Kanada und den USA folgende Regelungen: Nanomaterialien fallen als chemische Stoffe in Kanada unter den Canadian Environmental Protection Act (CEPA) und werden entweder unter „existierende Stoffe“ (im Falle sie sind auf der Domestic Substance List DSL aufgeführt) oder „neue Stoffe“ (nicht auf DSL gelistet) erfasst. Im letzteren Fall muss der Stoff vor seiner Vermarktung im Rahmen des Neustoffprogramms (New Substance Program) gemeldet werden. Im Rahmen des Neustoffprogramms kann die Behörde Informationen zur Partikelgröße und Partikelgrößenverteilung erheben, um zu identifizieren, ob es sich bei dem registrierten Stoff um Nanomaterialien handelt. Als Teil des Chemicals Management Plans hat Kanada im Jahr 2015 eine verpflichtende Umfrage zu existierenden Stoffen für das Jahr 2014 durchgeführt. Im Rahmen der Umfrage musste berichtet werden, wenn ein vermarkteter Stoff auf
einer Prioritätenliste von 206 Nanomaterialien gelistet ist und eine Größe im Bereich 1-100 Nanometer aufwies sowie mehr als 100 Kilogramm pro Jahr hergestellt oder importiert wurde (auch in Gemischen oder Erzeugnissen). Übermittelt werden mussten Informationen zur Stoffidentität, Menge, Verwendung sowie verfügbare Information zu physikalisch-chemischen Eigenschaften, Exposition und Effekte. Nanomaterialien fallen als chemische Stoffe in den USA unter den Toxic Substance Control Act (TSCA) und gehören dort entweder unter „existierende Stoffe“ (im Falle sie sind auf der TSCA Chemical Substance Inventory) oder „neue Stoffe“ (nicht im Verzeichnis). In letzterem Fall muss eine Risikobewertung vor der Vermarktung durch die verantwortliche Behörde erfolgen und hierfür bestimmte Daten vom Registranten vorgelegt werden. Es gibt keine besonderen Informationsanforderungen für nanoskalige Stoffe. Seit dem Jahr 2005 wurden mehr als 150 Stoffe als nanoskaliges Material gemeldet. Die amerikanische Umweltbehörde (US EPA) hat im Jahre 2015 einen Regulierungsvorschlag vorgelegt der nach derzeitiger Planung Anfang des Jahres 2017 von der US EPA erlassen werden soll.

Im Rahmen der Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) hat die EU einen Textvorschlag für das Kapitel zu regulatorischer Kooperation in die Verhandlungen sowie einen Vorschlag für einen Sektorannex zu Chemikalien eingebracht. Bislang ist offen, welche konkrete Ausgestaltung das Kapitel zu regulatorischer Kooperation erhalten wird, so dass eine Beantwortung der Frage derzeit nicht möglich ist.


Niedrigstenergiegebäude



Nachdem Effizienzanforderungen in die nationalen Bauvorschriften aufgenommen wurden, verbrauchen Neubauten heute nur noch halb so viel Energie wie typische Gebäude aus den 1980er-Jahren. Die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (im Folgenden „EPBD“ oder die „Richtlinie“) verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Festlegung von Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Neubauten und bestehenden Gebäuden, die umfangreichen Renovierungen unterzogen werden. Zusätzlich zu diesen Mindestanforderungen wird in der Richtlinie die klare Vorgabe gemacht, dass alle neuen Gebäude bis Ende des Jahrzehnts einen fast bei null liegenden oder sehr geringen Energiebedarf haben müssen und somit als Niedrigstenergiegebäude gelten. Der derzeitige Gebäudebestand setzt sich aus alten und nicht energieeffizienten Gebäuden zusammen; die Renovierung schreitet nur langsam voran. Im Einklang mit der Richtlinie sollte auch der derzeitige Gebäudebestand schrittweise umgebaut werden, um ähnliche Standards zu erreichen. Die vollständige Umsetzung und Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften im Energiebereich gilt als höchste Priorität bei der Verwirklichung der Energieunion . Gemäß dem geltenden Rechtsrahmen bestehen die beiden wesentlichen Anforderungen darin, zu gewährleisten, dass alle neuen Gebäude bis zum 31. Dezember 2020 Niedrigstenergiegebäude sind (zwei Jahre früher für öffentliche Gebäude), und den Umbau bestehender Gebäude gemäß den Niedrigstenergiezielen zu unterstützen.

Nach Artikel 2 Absatz 2 der EPBD bezeichnet „Niedrigstenergiegebäude“ „ein Gebäude, das eine sehr hohe, nach Anhang I bestimmte Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen — einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird — gedeckt werden“. Im ersten Teil der Begriffsbestimmung wird die Gesamtenergieeffizienz als das wesentliche Element dargestellt, das ein „Niedrigstenergiegebäude“ ausmacht. Die Gesamtenergieeffizienz muss sehr hoch sein und wird nach Anhang I der Richtlinie bestimmt. Der zweite Teil der Begriffsbestimmung gibt als Leitprinzip für die Erreichung dieser sehr hohen Energieeffizienz vor, dass der verbleibende geringe Energiebedarf zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Das Konzept der Niedrigstenergiegebäude spiegelt die Tatsache wider, dass Maßnahmen in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz ineinandergreifen. Wird die erneuerbare Energie direkt am Gebäude erzeugt, verringert sich die netto bereitgestellte Energie. In vielen Fällen reicht die erneuerbare Energie vor Ort nicht aus, um einen Energiebedarf von nahezu null zu erreichen, ohne zusätzliche Energieeffizienzmaßnahmen zu ergreifen oder einen erheblichen Rückgang der Primärenergiefaktoren für Energie aus externen erneuerbaren Energiequellen in Kauf zu nehmen. Daher werden höhere und strengere Anforderungen an hocheffiziente Niedrigstenergiegebäude auch zu einer stärkeren Nutzung von erneuerbaren Energiequellen direkt an Gebäuden führen und sollten eine Anpassung der Primärenergiefaktoren für externe Energieträger, unter Berücksichtigung des Anteils erneuerbarer Energien, zur Folge haben.

Die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes wird definiert als „… die berechnete oder gemessene Energiemenge, die benötigt wird, um den Energiebedarf im Rahmen der üblichen Nutzung des Gebäudes (u. a. Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Beleuchtung) zu decken“ . Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 244/2012 der Kommission und die dazugehörigen Leitlinien dienen als nützliche Orientierungshilfe für die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes.

Nach der Verordnung werden zur Berechnung der Gesamtenergieeffizienz zunächst der Endenergiebedarf  für Heizung und Kühlung berechnet und zuletzt der Primärenergieverbrauch. Die Berechnung beginnt also beim Bedarf des Gebäudes und endet bei der Quelle (d. h. bei der Primärenergie). Gemäß der Richtlinie können die Mitgliedstaaten ihre eigenen nationalen Primärenergiefaktoren verwenden, um die letztlich bereitgestellte Energie in Primärenergie umzuwandeln und die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden zu berechnen. Der Primärenergieverbrauch muss anhand der für jeden Energieträger (z. B. Strom, Heizöl, Biomasse, Fernwärme und Fernkälte) spezifischen Primärenergiefaktoren berechnet werden. In den Leitlinien zur Delegierten Verordnung wird die Anwendung des gleichen Primärenergiefaktors von 2,5 für bereitgestellte und für exportierte Energie empfohlen. Durch die am Standort erzeugte Energie (vor Ort verwendet oder exportiert) verringert sich der mit der bereitgestellten Energie zusammenhängende Primärenergiebedarf.

Durch die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz soll der jährliche Gesamtenergieverbrauch an Primärenergie bestimmt werden, der dem Energieverbrauch für Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Beleuchtung entspricht. Diese Berechnung der jährlichen Energiebilanz steht im Einklang mit dem geltenden EPBDRechtsrahmen. Studien zeigen jedoch, dass es von Vorteil sein könnte, die Energiebilanzen für kürzere Zeiträume zu berechnen (um beispielsweise tägliche und saisonbedingte Effekte auszumachen).

 Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie müssen die Mindestanforderungen den allgemeinen Innenraumklimabedingungen Rechnung tragen, um mögliche negative Auswirkungen, wie unzureichende Belüftung, zu vermeiden. Zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der Luftqualität in Innenräumen, des Komforts und der gesundheitlichen Bedingungen im europäischen Gebäudebestand sollte die schrittweise Verschärfung der Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz, die sich aus der EU-weiten Umsetzung der EPBD ergibt, mithilfe geeigneter Strategien zur Verbesserung des Innenraumklimas gemeinsam vorangetrieben werden.
 
Aus anderen Studien geht zudem hervor, dass neue und renovierte Gebäude oft nicht die beabsichtigte Energieeffizienz erzielen. Es sollten Mechanismen eingeführt werden, um die Berechnung der Energieeffizienz mit dem tatsächlichen Energieverbrauch abzustimmen. 


Es ist wichtig zu bedenken, dass das Niedrigstenergiegebäude-Konzept für die meisten neuen Gebäude ab Januar 2021 gelten wird (für neue öffentliche Gebäude bereits ab Januar 2019). Bis dahin werden die Technologiekosten infolge reiferer Märkte und größerer Verkaufsmengen voraussichtlich gesunken sein. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Niedrigstenergiegebäude-Niveaus dem Kostenoptimum für 2020 entsprechen werden. Die Daten deuten darauf hin, dass die bestehenden Technologien für Energieeinsparungen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien ausreichend sind, um miteinander kombiniert geeignete Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude zu erreichen . Eine technologische Kluft, die bis 2021 geschlossen werden müsste, wurde nicht ermittelt. Die Analyse der Berichte über die kostenoptimalen Niveaus gemäß Artikel 5 der EPBD deutet darauf hin, dass ein reibungsloser Übergang zwischen Kostenoptimalität und Niedrigstenergiegebäuden zu schaffen ist.

Die Förderung des Umbaus bestehender Gebäude zu Niedrigstenergiegebäuden gemäß Artikel 9 Absatz 2 der EPBD sollte als ein Element auch die vermehrte Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe c) umfassen. Gemäß Artikel 13 Absatz 6 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten außerdem verpflichtet, durch ihre Bauregelwerke und -vorschriften die Verwendung von Systemen und Anlagen zur Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu fördern. Ziel von Artikel 9 Absatz 2 ist es daher, die Renovierungsintensität zu erhöhen, indem nationale Strategien zur Förderung der Sanierung bestehender Gebäude auf tiefer greifende Maßnahmen nach NiedrigstenergiegebäudeStandards ausgerichtet werden. Die Verpflichtung gemäß Artikel 9 Absatz 2 der EPBD wird durch langfristige nationale Gebäudestrategien gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates ( 22) (Energieeffizienzrichtlinie) ergänzt; diese Strategien sollten durch die Mobilisierung von Finanzmitteln und Investitionen für die Renovierung von Gebäuden zu höheren Renovierungsquoten führen. Diese langfristigen Renovierungsstrategien verbinden die oben genannten Elemente der Energieeffizienzrichtlinie (Renovierungsquote) und der EPBD (Renovierungsintensität) miteinander.

 Um die Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude einzuhalten, müssen beim Entwurf von Neubauten möglicherweise bestehende Verfahren angepasst werden. Die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz sowie die Anforderung eines fast bei null liegenden Energiebedarfs müssen unter Beachtung der Fristen gemäß Artikel 9 Absatz 1 geprüft werden. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass angemessene Sanktionsmechanismen vorhanden sind, sollten Neubauten den Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz nicht entsprechen. Dies kann differenzierte Sanktionen für neue Gebäude erforderlich machen, nachdem die Fristen für Niedrigstenergiegebäude verstrichen sind. Die Mitgliedstaaten sollten diese Elemente baldmöglichst einer Beurteilung unterziehen, um sicherzustellen, dass die Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude erreicht werden. Außerdem wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten den Mechanismus festlegen, mit dem die Erfüllung der Zielvorgaben für Niedrigstenergiegebäude überwacht werden soll. Dieser Mechanismus sollte auch eingesetzt werden, um das Erreichen der Zwischenziele für 2015 gemäß Artikel 9 Absatz 1 sowie etwaiger zusätzlicher Meilensteine auf nationaler Ebene bis 2020 zu kontrollieren. Dies wird die aktuellen Fahrpläne für Niedrigstenergiegebäude stärken und in den kommenden Jahren zu den Überwachungsmechanismen beitragen.
 


 

Umsetzung der Erklärung EU-Türkei



Ein Hauptziel der Erklärung besteht darin, das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen, die Migranten und Flüchtlinge ausbeuten, die sich der potenziell tödlichen Gefahr eines irregulären Grenzübertritts aus der Türkei nach Griechenland aussetzen. Der erhebliche Rückgang sowohl der Grenzübertritte als auch der Todesfälle seit dem Inkrafttreten der Erklärung sind ein eindeutiger Beleg für deren Wirksamkeit. Da jedoch nach wie vor einige Menschen die Überfahrt wagen, während Rückführungen aus Griechenland in die Türkei nur langsam vonstattengehen, wächst der Druck auf die Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln. Wenngleich der Umfang der Migrationsströme nach Griechenland weiterhin insgesamt viel geringer ist als vor der Erklärung, müssen die Entwicklungen sorgfältig beobachtet werden.

Auch in Bezug auf andere in der Erklärung behandelte Aspekte sind Fortschritte erzielt worden. So sind die Strukturen geschaffen worden, um tatsächliche Rückführungen in die Türkei durchführen zu können, sobald die jeweiligen Verfahren über die Zulässigkeit bzw. die Begründetheit der Asylanträge abgeschlossen sind. Die Neuansiedlung von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei wurde beschleunigt. Mittlerweile hat die EU mehr als 2,2 Mrd. EUR von den insgesamt 3 Mrd. EUR für die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei bereitgestellt.

 Seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 2016 sind insgesamt 92503 Menschen aus der Türkei auf den griechischen Inseln eingetroffen, durchschnittlich also etwa 81 Menschen pro Tag. Wenngleich im August ein Anstieg zu verzeichnen war, sind die Zahlen im Vergleich zum Sommer 2015 (von Juni bis September 2015 trafen durchschnittlich fast 2900 Menschen pro Tag ein) und im Vergleich zum Monat vor Beginn der Umsetzung der Erklärung (mehr als 1700 pro Tag) nach wie vor sehr niedrig. In diesem Zusammenhang stellen die seit der Erklärung in der Ägäis verzeichneten 11 Todesfälle, so schrecklich sie sind, einen erheblichen Rückgang der Zahl der Todesopfer dar, denn im Gesamtjahr 2015 kamen insgesamt mehr als 270 Menschen ums Leben.

Der EU-Koordinator der Kommission hält laufend Kontakt zu den griechischen und türkischen Behörden, den EU-Agenturen, den internationalen Organisationen und den anderen Mitgliedstaaten. Die EU-Agenturen leisten wesentliche, unerlässliche Unterstützung. Ihre Tätigkeit ist allerdings weitgehend von der Bereitstellung von Experten durch die Mitgliedstaaten abhängig, die jedoch stetig hinter dem Bedarf zurückbleibt. Mit Stand vom 26. September hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen 83 Dolmetscher sowie 70 Experten aus den Mitgliedstaaten (davon 41 in den Hotspots) in Griechenland im Einsatz. Da in den Hotspots 100 Experten benötigt werden, fehlen derzeit 59 Personen für die Unterstützung der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei. Was die Unterstützung an der Grenze betrifft, so hat Frontex mit Stand vom 25. September 699 Bedienstete in Griechenland im Einsatz, von denen insgesamt 675 für die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei eingesetzt werden.
Europol hat acht Experten in Griechenland stationiert, um die Ermittlungen gegen die Schleusung von Migranten zu unterstützen. Außerdem haben die Mitgliedstaaten unlängst zehn Beamte abgestellt, die in den Hotspots eingehendere Überprüfungen in der zweiten Kontrolllinie durchführen sollen. Diese Einsatzkräfte reichen zwar für die gegenwärtigen Anforderungen aus, bei einer künftigen Zunahme der Migrationsströme müssen die Ressourcen jedoch möglicherweise angepasst werden.

Die EU leistet finanzielle Unterstützung für die türkische Küstenwache, die die irregulären Migrationsströme eindämmen und letztlich unterbinden soll. Die Mittel dienen unter anderem zur Beschaffung von sechs Such- und Rettungsschiffen, wobei auch die dafür nötige Ausbildung bereitgestellt wird. Die ersten Schiffe werden voraussichtlich im Februar 2017 ausgeliefert. Wenngleich es infolge des Putschversuchs innerhalb der Strafverfolgungsbehörden, beim Militär und in der öffentlichen Verwaltung zu gewissen Veränderungen gekommen ist – beispielsweise wurden die türkische Gendarmerie und die Küstenwache umstrukturiert und ziviler Kontrolle unterstellt –, wird die Patrouillentätigkeit seitens der zuständigen türkischen Behörden offenbar auf einem ähnlichen Niveau fortgeführt. Die türkische Küstenwache leistete auf entsprechende Ersuchen vonseiten der griechischen Behörden hin auch weiterhin Unterstützung auf See.

Nach dem Putschversuch wurden die türkischen Verbindungsbeamten von den griechischen Inseln abberufen. Bislang sind sie noch nicht zurückgekehrt. Ein türkischer Verbindungsbeamter in den Niederlanden arbeitet mit Europol ebenfalls an mit der Schleusung von Migranten zusammenhängenden Fragestellungen.

Die Erklärung sieht die Rückführung aller neuen irregulären Migranten und Asylsuchenden vor, die nach dem 20. März aus der Türkei auf den griechischen Inseln ankommen und deren Asylanträge für unzulässig oder unbegründet erklärt wurden. Die Maßnahmen werden unter vollkommener Einhaltung der Bestimmungen des EU-Rechts und des Völkerrechts und unter uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung durchgeführt.

Seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 2016 wurden im Rahmen der Erklärung 116 Personen rückgeführt, die irregulär nach Griechenland gekommen waren,6 darunter 22 Syrer. Damit beläuft sich die Gesamtzahl der im Rahmen der Erklärung EU-Türkei in die Türkei rückgeführten Personen auf 578. Darunter waren auch pakistanische, algerische, ägyptische, marokkanische, jemenitische, irakische, libanesische und palästinensische Staatsbürger. Die rückgeführten Personen hatten abschlägige Asylentscheidungen (darunter auch negative Entscheidungen in zweiter Instanz) erhalten, hatten ihren Asylantrag zurückgezogen oder sich nicht um Asyl beworben.

 Griechenland hat Rechtsvorschriften zur Einrichtung der neuen Rechtsbehelfsbehörde und der neuen Rechtsbehelfsausschüsse verabschiedet, die seit dem 20. Juli eingelegte Rechtsbehelfe gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen des griechischen Asyldiensts in zweiter Instanz prüfen.7 Die Arbeit dieser Ausschüsse ist entscheidend, um ein ordnungsgemäßes Verfahren bei der Prüfung von Asylanträgen im Einklang mit EU- und internationalen Normen zu gewährleisten. Die Rechtsbehelfsausschüsse brauchen nun die nötigen Ressourcen, um uneingeschränkt zu arbeiten, damit die Bearbeitung dieser Rechtsbehelfe beschleunigt und so gewährleistet wird, dass die Zielvorgabe von rund 500 bearbeiteten Fällen pro Monat (also 100 Fälle pro Ausschuss) erreicht wird; Asylverfahren auf den griechischen Inseln im Zusammenhang mit der Erklärung EU-Türkei sollten vorrangig behandelt werden.

In der Türkei umfassten die rechtlichen Entwicklungen auch die Anwendung der Vorschriften zu Arbeitserlaubnissen, was zu 10 584 Anträgen auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis durch syrische Staatsangehörige führte. Mehr als 8000 wurden bislang bewilligt, das sind bereits doppelt so viele wie im Gesamtjahr 2015. Was das Rückübernahmeabkommen der EU mit der Türkei betrifft, ist bei der Umsetzung der Bestimmungen zu Drittstaatsangehörigen kein Fortschritt zu verzeichnen. Der türkische Ministerrat hat bisher die Entscheidungen über die Genehmigung der Anwendung dieser Bestimmungen noch nicht getroffen. Bei der Umsetzung der Bestimmungen des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei hat es indes einige Fortschritte im Zusammenhang mit der Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger gegeben.

Seit Vorlage des zweiten Berichts am 15. Juni 2016 hat die Kommission im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und des Fonds für die innere Sicherheit mehr als 90 Mio. EUR Soforthilfe gewährt, um die griechischen Aufnahmekapazitäten und die Unterstützung für Migranten und Flüchtlinge zu verbessern.14 Diese jüngste Soforthilfe ergänzt die zuvor gewährten Soforthilfen: Seit Anfang 2015 wurden im Rahmen dieser EUFonds rund 352 Mio. EUR gewährt, um Maßnahmen in Griechenland zu unterstützen. Griechenland hat im Rahmen der nationalen Programme 509 Mio. EUR für den Zeitraum 2014 - 2020 erhalten; diese Programme werden derzeit überarbeitet, um sie besser auf die aktuellen Bedürfnisse Griechenlands abzustimmen. Beträchtliche EU-Mittel (etwa 198 Mio. EUR) werden den Partnern für humanitäre Hilfe durch das kürzlich geschaffene Soforthilfeinstrument der EU zur Verfügung gestellt. Diese Unterstützung soll die grundlegenden humanitären Bedürfnisse von Migranten und Flüchtlingen decken helfen – dazu gehören Unterkünfte, Sanitäranlagen und Gutscheine, um Nahrungsmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Sie umfasst auch eine spezielle Bildungsförderung für Kinder und unbegleitete Minderjährige.

 Nach den neuesten Zahlen wurden mit Stand vom 26. September im Rahmen der 1:1- Regelung 1614 Syrer in der EU neu angesiedelt. Diese Regelung besagt, dass die EU für jeden von der Türkei rückübernommenen Syrer von den griechischen Inseln einen Syrer aus der Türkei in der EU neu ansiedelt. Insgesamt wurden seit dem zweiten Bericht vom 15. Juni 1103 Syrer aus der Türkei in zwölf Mitgliedstaaten (Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Portugal, Spanien und Schweden)15 neu angesiedelt. Damit erhöht sich die Zahl der Mitgliedstaaten, die Neuansiedlungen im Rahmen der Regelung vornehmen, auf 1316 . Ferner wurden die Neuansiedlungen, die Mitte Juli im Anschluss an den versuchten Staatsstreich unterbrochen wurden, im August wieder aufgenommen. Die Zahl der Personen, die die erforderlichen Verfahren durchlaufen haben und bereit für eine Neuansiedlung sind, beläuft sich auf 509. Wie man sieht, hat sich das Tempo der Neuansiedlungen im Vergleich zu den Rückübernahmen von den griechischen Inseln beträchtlich erhöht. Und dieses Tempo muss beibehalten werden.

Die Bemühungen zur Kontrolle der Migrationsströme in der Ägäis haben bisher nicht zur Entstehung größerer alternativer Routen aus der Türkei geführt. Dennoch weist die Tatsache, dass nach wie vor Menschen in Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich gelangen, auf die Möglichkeit hin, dass sie einen Weg aus der Türkei finden. Einige Schiffe haben die längere Route in andere Mitgliedstaaten zurückgelegt: 24 Schiffe aus der Türkei haben im Berichtszeitraum Italien erreicht. Es gab auch es mehr festgestellte irreguläre Grenzübertritte an den türkischen Landgrenzen mit Bulgarien und Griechenland.

Daher ist es wichtig, die Situation fortlaufend zu überwachen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Verstärkte Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den türkischen Behörden und Behörden der Mitgliedstaaten werden bei der Bewältigung neuer Risiken eine wichtige Rolle spielen. Innerhalb der EU wurden Maßnahmen ergriffen, um besonders gefährdete Grenzen zu schützen. Zum Beispiel hat Frontex auf Ersuchen der bulgarischen Behörden um zusätzliche Unterstützung allmählich seine Präsenz an den Grenzen Bulgariens mit der Türkei (und auch mit Serbien) verstärkt. Seit 26. September wurden in Bulgarien 177 Experten eingesetzt, es besteht jedoch nach wie vor eine erhebliche Lücke im Vergleich zu den 345 vereinbarten Sachverständigen. Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten dringend auf, auf die Aufforderungen von Frontex zu reagieren. Darüber hinaus hat die Kommission Bulgarien vor kurzem bis zu 108 Mio. EUR an Soforthilfe für die verstärkte Grenzüberwachung und Migrationssteuerung an seinen Außengrenzen mit der Türkei, Serbien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zur Verfügung gestellt. Weitere Anträge Bulgariens auf zusätzliche Soforthilfen von bis zu 52 Mio. EUR werden zurzeit noch geprüft. Der bevorstehende Einsatz der europäischen Grenz- und Küstenwache sollte entscheidend zur Wirksamkeit und Kohärenz des Schutzes der EU-Außengrenze beitragen.

Die Beitrittsverhandlungen zu Kapitel 33 (Finanz- und Haushaltsvorschriften) wurden am 30. Juni im Einklang mit der Erklärung EU-Türkei eröffnet. Unbeschadet der Standpunkte der Mitgliedstaaten wurden die Vorarbeiten für die Aufnahme von Verhandlungen zu fünf weiteren Kapiteln im Einklang mit den geltenden Bestimmungen fortgesetzt.

Die humanitäre Lage in Syrien ist nach wie vor katastrophal. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 4,8 Millionen Syrer aus dem Land geflohen, und 6,1 Millionen Menschen wurden zu Binnenvertriebenen, wobei geschätzte 13,5 Millionen Menschen in Syrien heute Hilfe benötigen. Rund 5,5 Millionen dieser Menschen befinden sich in schwer zugänglichen Gebieten und mehr als eine halbe Million in Gebieten, die derzeit unter Belagerung sind, darunter im Osten von Aleppo. Um den humanitären Bedürfnissen dieser Menschen gerecht zu werden, ist es entscheidend, dass die EU und die Türkei zusammenarbeiten und aus Nachbarländern wie der Türkei und Jordanien grenzüberschreitende Unterstützung geleistet wird.




Samstag, 29. Oktober 2016

Erdgas und Strompreisstatistik



Für die Gestaltung der Energieunion und die Beobachtung der Energiemärkte der Mitgliedstaaten werden hochwertige, vergleichbare, aktuelle, zuverlässige und harmonisierte Daten über die von den Endkunden zu zahlenden Erdgas- und Strompreise benötigt.

Die Richtlinie 2008/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates1 gab bislang einen gemeinsamen Rahmen für die Erstellung, Übermittlung und Verbreitung vergleichbarer Statistiken über die Preise für Erdgas und Strom vor, die von Industriekunden in der Union zu zahlen sind.

Daten über die von den Endkunden des Sektors private Haushalte zu zahlenden Erdgasund Strompreise wurden bislang auf der Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung erhoben.

Mit einem zunehmend komplexen Energiebinnenmarkt wird es immer schwieriger, zuverlässige und aktuelle Erdgas- und Strompreisdaten – insbesondere für den Sektor private Haushalte – zu beschaffen, da es für die Bereitstellung solcher Daten keinerlei rechtliche Verpflichtung gibt.

Die Erhebung beider Datentypen sollte durch einen Gesetzgebungsakt geregelt werden, damit die Meldung hochwertiger Daten über die Preise für den Sektor private Haushalte und den Sektor Nichthaushaltskunden gewährleistet ist.

In den meisten Mitgliedstaaten werden Daten über Übertragungssysteme von den Energieregulierungsbehörden zur Verfügung gestellt. Allerdings sind wesentlich mehr Akteure an der Erhebung von Daten über die Verteilungskosten beteiligt, und in einigen Mitgliedstaaten wird die Datenmeldung als größere Schwierigkeit betrachtet. Angesichts der Bedeutung der Verteilungskosten und der diesbezüglich erforderlichen Transparenz sollte die Datenerhebung über Erdgas- und Strompreise der im Europäischen Statistischen System eingeführten Praxis folgen.

Die Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates1 bildet den Bezugsrahmen für europäische Statistiken. Nach der genannten Verordnung sind bei der Erstellung von Statistiken die Grundsätze der Unparteilichkeit, der Transparenz, der Zuverlässigkeit, der Objektivität, der fachlichen Unabhängigkeit und der Kostenwirksamkeit unter Wahrung der statistischen Geheimhaltung einzuhalten.

Bei der Erstellung der Daten über Erdgas- und Strompreise sollten die Mitgliedstaaten die am besten geeigneten Quellen und Methoden heranziehen, um die geforderten Informationen zur Verfügung zu stellen.

Die Daten über die von den Endkunden zu zahlenden Erdgas- und Strompreise sollten Vergleiche mit den Preisen für andere Energieerzeugnisse ermöglichen. Im Rahmen des Standardmeldeverfahrens sollten Informationen über die Erhebung von Daten über Preise und über die Datenqualität bereitgestellt werden.

Ausführliche Daten über die Aufschlüsselung der Verbrauchsbänder und deren jeweilige Marktanteile sind ein wesentlicher Bestandteil der Erdgas- und Strompreisstatistik.

Eine Preisanalyse ist nur dann möglich, wenn die Mitgliedstaaten zu den einzelnen Komponenten und Teilkomponenten der Erdgas- und Strompreise amtliche Statistiken von hoher Qualität bereitstellen. Mit einer überarbeiteten Methodik für eine detaillierte Aufschlüsselung der einzelnen Komponenten und Teilkomponenten der von den Endkunden zu zahlenden Erdgas- und Strompreise wird es möglich werden, die Auswirkungen der einzelnen Aspekte auf die Endpreise zu analysieren.

Die der Kommission (Eurostat) zur Verfügung gestellten Daten über Preise und über die Bedingungen des Verkaufs an Endkunden sowie über die Aufschlüsselung der Zahl der Endkunden nach Verbrauch in jedem Verbrauchsband sollten alle Informationen enthalten, die die Kommission benötigt, um über zweckmäßige energiepolitische Maßnahmen oder Vorschläge zu beschließen.

Die gründliche Kenntnis der Steuern, Abgaben, sonstigen staatlich verursachten Belastungen und Gebühren eines jeden einzelnen Mitgliedstaats ist wesentliche Voraussetzung für die Gewährleistung von Preistransparenz. Die Bedeutung, die der Aufschlüsselung der Daten über Netzkosten, Steuern, Abgaben und sonstige staatlich verursachte Belastungen und Gebühren zukommt, wurde erkannt.

Die Kommission (Eurostat) sollte gemeinsam mit den Mitgliedstaaten im Sinne zuverlässigerer Daten die Methodik für deren Sammlung und Verarbeitung eingehend und im Einklang mit dem Steuerungsrahmen für die Statistik prüfen und bei Bedarf verbessern. Daher sollten regelmäßig Qualitätsberichte erstellt und Bewertungen der Qualität der Preisdaten vorgenommen werden.

Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse hinsichtlich des Formats und der Modalitäten der Datenübermittlung, der Anforderungen an die Sicherung der technischen Qualität, die für den Inhalt der Standard-Qualitätsberichte gelten, sowie der Gewährung von Ausnahmeregelungen übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates1 ausgeübt werden.

Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens für die systematische Erstellung einer europäischen Statistik über Erdgas- und Strompreise, in den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann sondern vielmehr wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.


Freitag, 28. Oktober 2016

Cum-Ex und Dividendenstripping


Mit dem Regierungsentwurf des Investmentsteuerreformgesetzes plant die Bundesregierung, zukünftig u. a. die Umgehung der Dividendenbesteuerung (u. a. Dividendenstripping / Cum-Ex Deal) zu verhindern. Beim Dividendenstripping (/ Cum-Ex Deal) sind dem Steuerzahler in den letzten Jahrzehnten Milliardenbeträge entzogen worden. Es drohen weitere Milliarden Steuersubstrat entzogen zu werden, wenn der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung Dividendenstripping (/ Cum-Ex Deal) nicht wirksam unterbindet.

der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 16. April 2014 (Az: I R 2/12) zu dieser Frage auf diese Entscheidungen Bezug genommen, obwohl in dem Streitjahr § 50c EStG keine Anwendung mehr fand. In der am 13. Januar 2016 veröffentlichten Entscheidung (Az: I R 88/13) hat der Bundesfinanzhof bei einem Wertpapierleihgeschäft unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bereits den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums der Aktien verneint.

Welche rechtlichen Schlüsse aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofes vom 16. April 2014 (Az. I R 2/12) und vom 18. August 2015 (Az: I R 2/12 und I R 88/13) zu ziehen sind, wird derzeit in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe geprüft.

Die Gesetzesbegründung zu § 36 Absatz 2a EStG-E in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung enthält keine rechtliche Bewertung der Cum-Cum-Gestaltungen. Es wird lediglich beschrieben, wie diese Gestaltungen ablaufen und wie die Besteuerung der Dividenden faktisch umgangen wird.

Nach Auffassung der Bundesregierung hat der Steuerpflichtige bei der Geltendmachung der Anrechnung von Kapitalertragssteuer offenzulegen, dass ein Dividendenstripping-Sachverhalt vorliegt. Nach § 90 Absatz 1 Satz 2 AO sind die Beteiligten zur Mitwirkung im Besteuerungsverfahren verpflichtet. Dieser Mitwirkungspflicht kommen sie insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen. Insbesondere besteht eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht.

Bei Vorliegen von Cum-Ex- oder Cum-Cum-Sachverhalten besteht eine Anzeigeund Berichtigungspflicht nach § 153 AO, wenn der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass er diese Sachverhalte in seiner Steuererklärung unrichtig oder unvollständig erklärt hat und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Ist dem Steuerpflichtigen bereits bei Abgabe seiner Steuererklärung bewusst, dass er zu Cum-Ex- oder zu Cum-Cum-Sachverhalten keine, unvollständige oder unrichtige Angaben gemacht hat, wird zu prüfen sein, ob der Steuerpflichtige eine Steuerhinterziehung begangen hat.

Die BaFin hat im Zusammenhang mit der in der Frage genannten Abfrage nicht auf künftige weitere Sachverhaltsaufklärungen verzichtet. Sie wird in enger Abstimmung mit der für die Beaufsichtigung bedeutender Kreditinstitute im Sinne des Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM-Verordnung) zuständigen EZB die Entscheidung über weitere Sachverhaltsaufklärungen treffen.

 § 36 Absatz 2a Satz 5 Nummer 2 EStG-E setzt voraus, dass der Steuerpflichtige seit mindestens einem Jahr zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussrechte ist. Wenn die Chancen und Risiken aus den Aktien oder Genussrechten nicht von dem Steuerpflichtigen, sondern von einer anderen Person (Dritter) getragen werden, dann ist dies ein Indiz dafür, dass der Dritte wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussrechte ist. Fehlt es – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – an dem wirtschaftlichen Eigentum des Steuerpflichtigen, dann ist auch die Ausnahmeregelung in § 36 Absatz 2a Satz 5 Nummer 2 EStG-E nicht anwendbar.

Eine Umgehung der Regelungen des § 36 Absatz 2a EStG-E in Konzernstrukturen erscheint möglich. Daher prüft die Bundesregierung derzeit, mit welchen Ergänzungen der vorgeschlagenen Regelung diese ausgeschlossen werden können.

Die Bundesregierung hat diesen Regelungsvorschlag nicht weiter verfolgt, da im Rahmen der Abstimmung Bedenken hinsichtlich einer hinreichenden Bestimmtheit der Norm geäußert und insbesondere auch auf Vorbehalte der Rechtsprechung hinsichtlich einer neben einander bestehenden Anwendbarkeit einer spezialgesetzlichen und einer allgemeinen Missbrauchsverhinderungsnorm hingewiesen wurden (vgl. Ratschow in Klein, Abgabenordnung, 12. Auflage 2014, § 42 Rn. 91). Der Bundesregierung sind keine Gestaltungen bekannt, die durch die Streichung nicht mehr erfasst würden.

Im Zusammenhang mit Erstattungen nach § 50d Absatz 1 EStG i. V. m. Doppelbesteuerungsabkommen
an ausländische Antragsteller hat das Bundeszentralamt
für Steuern insgesamt 530 Fälle untersucht. Zum Stichtag 1. April 2016 wurde in
102 Fällen die Kapitalertragsteuer nicht erstattet, davon wurden im Laufe der
Sachverhaltsermittlung sieben Erstattungsanträge zurückgenommen. In fünf Fällen
wurden die Erstattungsbeträge von Antragstellern zurückgefordert, von denen
in einem Fall der Erstattungsbetrag zurückgezahlt wurde; vier Fälle sind noch
anhängig. Insgesamt sind im Auslandsbereich noch 281 Fälle in Bearbeitung. Abgeschlossen
sind 249 Fälle, von denen sich – neben den sieben Antragsrücknahmen
und der einen bestandskräftigen Rückforderung – der Cum-Ex-Verdacht in
22 Fällen nach Aktenlage und in 219 Fällen nach Sachverhaltsermittlung nicht
bestätigte. 

Das BMF hat das BZSt im Zuge der Erstellung des Schreibens vom 5. Mai 2009 (Az. IV C 1 – S 2252/09/10003; BStBl I 2009 S. 631) über mögliche Leerverkäufe von Aktien über den Dividendenstichtag und damit verbundener Gefahren einer mehrfachen Bescheinigung von Kapitalertragsteuer nach § 45a Absatz 3 EStG informiert.

 Ausländische Antragsteller haben im Rahmen ihres Erstattungsantrages zu bestä- tigen, dass ihnen das angegebene Kapitalvermögen im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge gehört hat und ihnen die Kapitalerträge zum Dividendenstichtag zugestanden haben. Der Nachweis ist regelmäßig durch die Vorlage einer Kapitalertragsteuerbescheinigung im Sinne von § 45a Absatz 2 EStG zu erbringen. Die Bundesbetriebsprüfung hat in den Jahren 2014 und 2015 in zwei bisher noch nicht abgeschlossenen Mitwirkungsfällen unter Einbeziehung inländischer Erwerber Cum-Cum-Gestaltungen aufgegriffen. Diese werden auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des BFH zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums rechtlich gewürdigt werden.
Im Lichte der aktuellen Entwicklung sowie aufgrund der beabsichtigten Gesetzesänderungen
zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer (§ 36 Absatz 2a EStG-E)
für unbeschränkt Steuerpflichtige wird das Bundeszentralamt für Steuern verstärkt
prüfen, ob Gestaltungen auftreten, in denen Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag
auf beschränkt Steuerpflichtige übertragen werden.
Da eine Prüfung, ob rechtsmissbräuchliche Cum-Cum-Gestaltungen vorliegen,
im Rahmen der geschäftsmäßigen Antragsbearbeitung bzw. bei Außenprüfungen
erfolgt, können Vollzeitäquivalente in beiden Bereichen nicht beziffert werden. 

Im körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren wurde bei Ausschüttungen durch eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft die auf die Ausschüttung entfallende und von der ausschüttenden Gesellschaft zu entrichtende Körperschaftsteuer auf die vom Empfänger der Ausschüttung zu zahlende Einkommenoder Körperschaftsteuer angerechnet. Ausländische Anteileigner waren nicht zur Anrechnung der Körperschaftsteuer berechtigt. 

Um die fehlende Anrechnungsmöglichkeit zu umgehen, wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren bis zur Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens u. a. folgende Gestaltung gewählt: Der ausländische Anteilseigner lässt sich die Gewinne der Kapitalgesellschaft nicht ausschütten, sondern veräußert die Beteiligung an einen anrechnungsberechtigten Inländer. Mit dem Kaufpreis bezahlt der inländische Käufer auch die Körperschaftsteuer, die er nach einer Ausschüttung im Rahmen seiner Veranlagung anrechnen kann. 

Durch die Ausschüttung sinkt der Wert der Beteiligung. Diese Wertminderung konnte der Käufer – vor der Einführung des § 50c EStG – mit seinen Dividendeneinnahmen verrechnen und so eine Besteuerung vermeiden. Damit wurde – vor der Einführung des § 50c EStG – eine Erstattung der in der auf der Dividende lastenden Körperschaftsteuer erreicht, obwohl die Ausschüttung im Ergebnis nicht besteuert wurde.


Bundesdruckerei in Panama Papers verwickelt?


Einen ehemaligen Handelsvertreter einer Tochtergesellschaft der Bundesdruckerei GmbH (BDr), der BIS Bundesdruckerei International Services GmbH (BIS), behauptet als „Whistleblower“
von Konten zu wissen im Zusammenhang mit den Panama Papers.

Dieser Handelsvertreter, der insofern eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, hat gegen die BIS Klage erhoben wegen vermeintlich ausstehender Handelsvertreterprovision. Die Klage wurde vom Landgericht Berlin in der ersten Instanz vollinhaltlich abgewiesen und ist nunmehr in der Berufungsinstanz anhängig. Soweit über den Bereich der Bundesdruckerei-Gruppe hinaus laufende oder abgeschlossene Gerichtsverfahren bzw. staatsanwaltschaftliche Ermittlungen angesprochen sind, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Strafverfolgung obliegt – von wenigen, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – den Ländern.

Nach Auffassung der Bundesregierung liegen keine „Beweisdokumente“ für Unregelmäßigkeiten beim Auslandsgeschäft der BIS Bundesdruckerei International Service GmbH vor. Die E-Mail vom 31. Juli 2013 samt Anhängen war Gegenstand von umfangreichen internen und externen Überprüfungen. Zusätzlich zu einer umfassenden Prü- fung durch die Innenrevision/Internal Audit (IR) der Bundesdruckerei GmbH wurde auch eine externe, auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei in die Untersuchungen einbezogen. In Bezug auf frühere Anschuldigungen war zudem eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Prüfungen beauftragt. Bei keiner dieser Prüfungen haben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen verfolgbarer Straftaten oder sonstiger von Alberto P. behaupteter gesetzwidriger Vorgänge oder Unregelmäßigkeiten ergeben.

Die unter Frage 1 genannten Dokumente waren bei der Staatsanwaltschaft Berlin Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. Sämtliche gegen Jörg Baumgartl oder andere Mitarbeiter der Bundesdruckerei-Gruppe geführten Verfahren wurden gemäß § 170 Absatz 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Insbesondere konnte die Staatsanwaltschaft Berlin den unter 1. genannten Dokumenten keine Tatsachen für strafrechtlich relevantes Verhalten entnehmen. Da es bereits an einem Anfangsverdacht mangelte, war die Staatsanwaltschaft Berlin weder zur weiteren Verfolgung, d. h. Befragung des Alberto P., verpflichtet noch berechtigt.

Nachdem der ehemalige Handelsvertreter die genannten zivil- und strafrechtlichen Verfahren angestrengt hatte, konnte ein Gespräch grundsätzlich nicht mehr  geführt werden, ohne dadurch in die laufenden Rechtsstreite einzugreifen. Alberto P. hat gegen das seinen geltend gemachten Anspruch ablehnende Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2015 Berufung beim Kammergericht eingelegt. Der Rechtsstreit ist nach wie vor anhängig. Dem ehemaligen Handelsvertreter stand es jedoch stets frei, ihm vorliegende belastbare Informationen zu übermitteln oder in die rechtlichen Verfahren einzubringen. Die Bundesdruckerei GmbH hat ihn in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat und der Beteiligungsführung über die beteiligten Anwälte ausdrücklich nochmals im April 2016 um die Zusendung von Unterlagen gebeten. Insbesondere wurde er darüber informiert, dass die Staatsanwaltschaft erneut mit der Sache befasst wurde, um ihm die Möglichkeit zu geben, bei ihm befindliche Dokumente im gegebenen Fall auch direkt der Staatsanwaltschaft zuzuleiten.

Die Bundesregierung hat keine Kenntnis davon, dass die panamaische Gesellschaft „Billingsley Global Corporation“ als ihre Vertreter laut Gründungsurkunde Mitarbeiter der Bundesdruckerei benennt. In der der Bundesdruckerei GmbH vorliegenden und der Beteiligungsführung bekannten Kopie der Gründungsurkunde der Firma Billingsley Global Corporation aus dem Juni 2005 sind keine Mitarbeiter der Bundesdruckerei genannt.

Die Bundesdruckerei GmbH liefert seit rund zehn Jahren Komponenten für das venezolanische ePass-System, wie etwa Passdatenseiten und Personalisierungssysteme. Dabei arbeitet das Unternehmen mit lokalen Vertragspartnern zusammen. Diese Partner übernehmen vor Ort als Dienstleister beispielsweise Wartungs- und Reparaturdienste, die Logistik und weitere Supportaufgaben. Die Firma Billingsley Global Corp. war ein solcher Dienstleister. Sämtliche Zahlungen der Bundesdruckerei an Auftragnehmer im Venezuela-Projekt, wie an Firma Billingsley Global Corp., sind in marktüblicher Höhe und aufgrund von Leistungsnachweisen erfolgt.

 Auf Nachfrage hat die Bundesdruckerei GmbH hierzu mitgeteilt, dass die Firma Billingsley Global Corp. Lieferungen und Leistungen jeweils zu handelsüblichen Preisen in Rechnung gestellt hat. Nach Auskunft der Bundesdruckerei GmbH hat die Firma Billingsley Global Corp. gegenüber dem Endkunden auf eigene Rechnung auch zusätzliche Dienstleitungen (wie beispielweise Installation) übernommen.

Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, dass Jörg Baumgartl Gelder von der Gesellschaft „Billingsley Global Corporation“ erhalten hat.

Dieses sogenannte „Beweisdokument“, welches wiederholt von Alberto P. zitiert wird, war ebenfalls Gegenstand von internen Prüfungen seitens der Bundesdruckerei GmbH als auch Gegenstand von externen Überprüfungen einer Strafrechtskanzlei. Das Papier lässt weder ein Datum noch einen Urheber erkennen. Es kann weder der Bundesdruckerei GmbH bzw. BIS Bundesdruckerei International Services GmbH noch einem ihrer Verantwortlichen zugerechnet werden.
In Abstimmung mit der Beteiligungsführung wurden in der Folge der Veröffentlichung der sogenannten „Panama Papers“ alle vorliegenden Dokumente von Seiten der Innenrevision/Internal Audit der Bundesdruckerei GmbH mit den zugänglichen Informationen/Dokumenten der ICIJ-Offshore-Leaks-Datenbank verglichen. Auch mit Hilfe dieses neuen Recherchetools konnten eine weitergehende Plausibilisierung oder neue Erkenntnisse nicht gewonnen werden. Auch bei dieser Prüfung war eine externe auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei eingebunden.

Die Bundesdruckerei GmbH hat infolge der Veröffentlichung der sogenannten „Panama Papers“ die Staatsanwaltschaft Berlin im April 2016 über die aktuelle Medienberichterstattung in Kenntnis gesetzt und entsprechende Dokumente zur  Verfügung gestellt. Die sich daran anschließende staatsanwaltschaftliche Überprüfung jener Dokumente ergab ebenfalls keinen strafrechtlichen Anfangsverdacht gegen Jörg Baumgartl. Der Entschluss, den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft Berlin erneut einer strafrechtlichen Bewertung zuzuführen, erfolgte in enger Abstimmung mit der Beteiligungsführung sowie nach der Befassung des Präsidialausschuss der Bundesdruckerei GmbH. Die Bundesregierung sah also sowohl auf Gesellschafterebene, als auch durch ihre Vertretung in den Gremien der Bundesdruckerei GmbH eine nochmalige Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt. Eine zusätzliche Anzeige unmittelbar durch einen Vertreter der Bundesregierung hätte gegenüber dieser Vorgehensweise keinen Mehrwert erbringen können. Zivilrechtliche Forderungen wurden mangels einer Anspruchsgrundlage sowie eines Schadens, mithin auf Grund von fehlenden Erfolgsaussichten nicht geltend gemacht.

Sämtliche der Bundesregierung bekannten Ermittlungsverfahren gegen Jörg Baumgartl sind mangels eines Anfangsverdachtes gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden. Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse über etwaige weitere Strafermittlungsverfahren gegen Jörg Baumgartl oder andere Mitarbeiter der Bundesdruckerei GmbH im Zusammenhang mit deren Tätigkeit für die Bundesdruckerei und/ oder die BIS Bundesdruckerei International Services GmbH vor.

Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte vor, dass auf Betreiben von Bundesministerien bzw. ihren nachgeordneten Behörden oder bundesnahen Unternehmen oder deren Mitarbeitern sogenannte „Briefkastengesellschaften“ veranlasst wurden. Dabei wurde der Begriff „bundesnahe Unternehmen“ als Unternehmen mit öffentlichem Bezug, an denen der Bund beteiligt ist, verstanden.

Der 10-Punkte-Plan vom 11. April 2016 als Reaktion auf die „Panama Papers“ behandelt überwiegend Maßnahmen auf internationaler Ebene. Eine Umsetzung ist hier nur durch international abgestimmte Prozesse möglich. Kurz nach dem Bekanntwerden der „Panama Papers“ hat die panamaische Regierung ihre Bereitschaft zum baldigen Abschluss eines bilateralen Abkommens zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten nach dem von der OECD entwickelten Common Reporting Standard (CRS) mitgeteilt. Im Juli 2016 trafen sich dementsprechend Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen mit Vertretern der panamaischen Regierung in Berlin zu Gesprächen über den Abschluss eines bereits seit längerer Zeit verhandelten allgemeinen Abkommens über den Austausch von steuerlichen Informationen sowie eines gesonderten Abkommens über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten.

Die Bundesregierung erwartet, dass die panamaische Seite die Gespräche konstruktiv fortführt, so dass die vertraglichen Vereinbarungen zügig zum Abschluss gebracht werden können. Die Arbeiten im Rat der EU an einer EU-einheitlichen sogenannten schwarzen Liste für Steuerzwecke haben aufgrund eines Auftrags der Finanzminister der EU kurz nach dem Bekanntwerden der „Panama Papers“ begonnen und sollen bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Die anzuwendenden Kriterien für die Überprü- fung von Drittstaaten stehen noch nicht fest. Es zeichnet sich jedoch ab, dass neben der Transparenz des Steuersystems dabei auch Aspekte des Steuerwettbewerbs und die Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung (BEPS-Prozess) eine Rolle spielen werden. 

Ein Schwerpunkt der internationalen Arbeiten zum automatischen Informationsaustausch wird zukünftig auf der Überwachung einer vertragsgemäßen Umsetzung des Standards in allen maßgeblichen Staaten und Gebieten liegen. Damit wird der erforderliche Umsetzungsdruck aufrechterhalten. Auf Bitten der OECD und der G20 wird das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes bis 2020 die Implementierung des CRS sowie dessen inhaltliche Umsetzung durch seine Mitgliedstaaten prüfen und gegenüber dem OECD und der G20 entsprechend berichten. Dieser Prozess ist erfolgreich gestartet. Inzwischen sind umfangreiche Prüfberichte erarbeitet worden. Entsprechend den Vorgaben der 4. EU-Geldwäsche-Richtlinie wird Deutschland ein Register schaffen, aus dem zu in Deutschland eingetragenen Gesellschaften und sonstigen juristischen Personen Daten über die wirtschaftlich Berechtigten hervorgehen.

Es wird angestrebt, die nationalen Register mit Informationen über wirtschaftlich Berechtigte EU-weit zu vernetzen. Die Europäische-Kommission hat diese Vernetzung nun konkret in ihren Änderungsvorschlag zur 4. EU-Geldwäscherichtlinie aufgenommen. Deutschland hat sich zusammen mit den anderen G5-Staaten am 14. April 2016 in einem Brief an die G20 gewandt und diese aufgefordert, durch geeignete Maß- nahmen den Zugang für Steuer- und Strafverfolgungsbehörden zu Daten zum wirtschaftlich Berechtigten zu verbessern. Zum Treffen der G20-Finanzminister am 6. Oktober 2016 in Washington haben auf die Bitte der G20 die Financial Action Task Force sowie das Global Forum erste Vorschläge präsentiert, wie die Verfügbarkeit von Informationen über wirtschaftlich Berechtigte verbessert werden kann.

Die Europäische Kommission hat im Sommer 2016 einen Vorschlag zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie unterbreitet. Dieser Vorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten einen gesetzlich abgesicherten Zugang der Steuerverwaltungen zu bestimmten Informationen gemäß der Geldwäscherichtlinie gewährleisten. Deutschland unterstützt diesen Kommissionsvorschlag. Es ist vorgesehen, dass der ECOFIN die Richtlinie noch im Herbst 2016 verabschiedet. Punkt 12 des BEPS-Aktionsplans sieht als Mittel gegen aggressive Steuerplanung eine Empfehlung gegenüber den OECD-Staaten vor, eine verpflichtende Offenlegung von Steuergestaltungsmodellen einzuführen.

Das Bundesministerium der Finanzen prüft gegenwärtig in Zusammenarbeit mit den Ländern eine entsprechende Maßnahme unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf europäischer Ebene. Das Bundesministerium der Finanzen hatte im Juli 2015 dem MaxPlanck-Institut München einen Forschungsauftrag erteilt. Das inzwischen vorliegende Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es grundsätzlich möglich ist, eine Anzeigepflicht ins deutsche Recht zu implementieren, die sowohl den verfassungsrechtlichen als auch den europarechtlichen Anforderungen genügt. Das Ergebnis der Prüfung bleibt abzuwarten. Die Europäische Kommission wurde durch den ECOFIN im Mai 2016 aufgefordert, den Erlass eines Richtlinienvorschlags zum Thema Anzeigepflicht zu prüfen. Der Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sieht vor, mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich das Ordnungswidrigkeitenrecht auszubauen und ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne zu prüfen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat angekündigt, hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Die Bundesregierung wird ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche weiter verstärken. Deutschland hat in den vergangenen Jahren strikte Vorgaben und Kontrollen zur Bekämpfung der Geldwäsche im Finanzsektor etabliert. Solche Fortschritte werden auch bei der Geldwäschekontrolle im gewerblichen Bereich für notwendig erachtet, für die im Wesentlichen die Bundesländer verantwortlich sind. Die Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsmeldungen („Financial Intelligence Unit“) wird vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlagert und dabei mit neuen Kompetenzen wie etwa Sofortmaßnahmen zur Sicherung von Vermö- gensgegenständen und deutlich mehr Personal ausgestattet. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sollen erhebliche Abschöpfungslücken geschlossen werden. Für den Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität etwa schafft der Entwurf ein rechtliches Instrument, mit dem aus Straftaten herrührendes Vermögen unklarer Herkunft unabhängig vom Nachweis einer konkreten Straftat eingezogen werden kann.


Zu der Ankündigung von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble über den vorgenannten 10-Punkte-Plan vom 11. April 2016 hinaus, wird auf die in den Antworten zu den Fragen 10 und 11 dargestellten umfangreichen Prüfungen verwiesen.

Jörg Baumgartl hat sein Arbeitsverhältnis bei der Veridos GmbH zum Ende des Jahres 2016 gekündigt. Die Veridos GmbH ist eine im Mehrheitsbesitz der Firma Giesecke & Devrient (G&D) stehende Joint-Venture-Gesellschaft, die seit 2015 das Auslandsgeschäft für die Bundesdruckerei GmbH betreibt und an der die Bundesdruckerei GmbH eine Minderheitsbeteiligung hält. Sämtliche der Bundesregierung bekannten Ermittlungsverfahren gegen Jörg Baumgartl sind mangels eines Anfangsverdachtes gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden. 



Donnerstag, 27. Oktober 2016

Zivilverteidigungskonzeption 2016


Im August 2016 hat der Bundesminister des Innern die „Konzeption Zivile Verteidigung (KZV)“ vorgestellt.  So wird in dem Papier ausgeführt, Zivile Verteidigung habe „die Aufgabe, alle zivilen Maßnahmen zu planen und durchzuführen, die zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit einschließlich der Versorgung und des Schutzes der Bevölkerung erforderlich sind“. Hierzu gehöre im Einzelnen unter anderem, „die Streitkräfte bei der Herstellung und Aufrechterhaltung ihrer Verteidigungsfähigkeit und Operationsfreiheit zu unterstützen“. Planungsvorgaben, die aus „strategischen und konzeptionellen Vorgaben der NATO“ resultieren, „fließen auf allen Ebenen in die Planungen der Fachressorts ein“, wird in der Konzeption gefordert.

Planungen, Vorbereitungen und Durchführungsmaßnahmen der Zivilen Verteidigung sind durch das Bundesministerium des Innern (BMI) zu koordinieren, soweit sie einer über die Aufgabenbereiche der einzelnen Ressorts hinausgehenden Abstimmung bedürfen. Die Konzeption soll die Grundlage für die künftige ressortabgestimmte Aufgabenerfüllung im Bereich der Zivilen Verteidigung bilden. Darüber hinaus hat das Bundesministerium des Innern einen Gesamtüberblick über die Planungen, Vorbereitungen und Durchführungsmaßnahmen der Ressorts zu führen.

Die vom Kabinett beschlossene KZV wurde im Vorfeld entsprechend der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien abgestimmt. Eine Mitzeichnung erfolgte durch die obersten Bundesbehörden, die Kernaufgaben im Rahmen der Zivilen Verteidigung zu erfüllen haben. Dies sind die Bundesministerien für Wirtschaft und Energie, der Finanzen, für Arbeit und Soziales, für Ernährung und Landwirtschaft, der Verteidigung, für Gesundheit, für Verkehr und digitale Infrastruktur, sowie für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie die Deutsche Bundesbank. Daneben haben das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mitgezeichnet. Die Bundesministerien für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für Bildung und Forschung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien wurden vor der Kabinettbefassung informiert.

 Die militärische Verteidigungsfähigkeit eines Staates hat unmittelbaren Einfluss auf die Wirksamkeit der Zivilverteidigung zum Schutz der Bevölkerung. Damit hängt in entsprechenden Lagen der Schutz der Bevölkerung durch die Zivilverteidigung unmittelbar vom Erfolg einer militärischen Verteidigung ab. Militärische Verteidigung und Zivile Verteidigung sind dabei organisatorisch eigenständig, stehen jedoch als Gesamtverteidigung eines Staates und seiner Bevölkerung in einem unauflösbaren Zusammenhang. Die im integrierten Hilfeleistungssystem nach Bundes- oder Landesrecht den Hilfsorganisationen zugewiesenen Aufgaben zur Hilfe für die Zivilbevölkerung stehen dabei gleichrangig neben den Aufgaben zur Unterstützung der Streitkräfte. Das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe und der Malteser Hilfsdienst nehmen als freiwillige Hilfsgesellschaft die Aufgaben wahr, die sich aus den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 und ihren Zusatzprotokollen ergeben. Dazu gehört insbesondere die Unterstützung des Sanitätsdienstes der bewaffneten Streitkräfte im Sinne des Artikels 26 des Ersten Genfer Abkommens von 1949. Dies entspricht dem Selbstverständnis und der völkerrechtlichen Verpflichtung der genannten Organisationen.

Die Versorgung der Zivilbevölkerung, der Streitkräfte und der Staats- und Regierungsorgane steht in der KZV und den gesetzlichen Vorgaben (siehe zum Beispiel Abschnitt 7.1 der KZV und § 6 Absatz 3 der Verordnung über die Feststellung und Deckung des Arbeitskräftebedarfs nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz – ArbSV, § 12 Absatz 1 des Gesetzes über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen – ErdölBevG, § 1 der Verordnung zur Sicherstellung des Eisenbahnverkehrs – EVerkSiV, § 1 der Verordnung zur Sicherstellung des Luftverkehrs – Luft-VerkSiV, § 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs – VerkSiG) ausdrücklich gleichrangig nebeneinander.

 In der Bundesrepublik Deutschland hat sich die Versorgung der Bevölkerung durch die privatwirtschaftlich organisierte Wirtschaft als stabil und zuverlässig erwiesen. Dessen ungeachtet sind Ereignisse, die zu Störungen oder Ausfällen der gewohnten Versorgungsabläufe führen können, nicht auszuschließen. Die Bundesregierung lässt jährlich szenario-basierte Risikoanalysen erstellen, die Aufschluss über potentielle Gefahren und deren mögliche Auswirkungen u. a. auf die Versorgung mit Lebensmitteln geben und dem Bundestag zur Kenntnis gegeben werden. Wie die Ergebnisse der Risikoanalyse Bevölkerungsschutz Bund zeigen, müssen Szenarien wie der Ausfall der Stromversorgung, Erkrankungswellen und die Freisetzung von radioaktiven Stoffen als mögliche Risiken der Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Betracht gezogen werden, wenngleich die Eintrittswahrscheinlichkeit als gering einzustufen ist. Entsprechend muss sich die Vorsorgeplanung ausrichten. Die Vorsorgeplanung zur Sicherung der Lebensmittelversorgung beruht gemäß Grundprinzipien und strategischen Schutzzielen der KZV sowie dem Grundgedanken des § 1 des Gesetzes über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) auf drei Komponenten. Dies sind zunächst die eigenen Schutzvorkehrungen der Lebensmittelwirtschaft, staatliche Maßnahmen wie z. B. die bundeseigene Nahrungsmittelreserve sowie Vorsorgemaßnahmen der Bevölkerung in Form eines individuellen Lebensmittelvorrats im Haushalt für einen Zeitraum von 10 Tagen. Die KZV stellt bewusst auf einen „individuellen“ Vorrat ab, da der Vorrat den jeweiligen persönlichen Ernährungsgewohnheiten und Ernährungserfordernissen entsprechen sollte. In diesem Zusammenhang sind die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) schon seit vielen Jahren herausgegebenen Empfehlungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Vorrats als Beispiel für einen sinnvoll zusammengestellten Grundvorrat zu verstehen, der mit ca. 2 200 kcal pro Tag den in der Regel erforderlichen Gesamtenergiebedarf abdeckt. Im Beispiel sind die ausgewiesenen Vorratsmengen auf eine Reichweite von 14 Tagen ausgelegt; dieser Zeitraum orientiert sich nicht an dem vorgenannten 10-Tages-Zeitraum als Ausfalldauer, sondern an einer die eigene Unabhängigkeit sowohl in der Beschaffung von Nahrungsmitteln als auch in der Auswahl und Zusammensetzung der Ernährung sichernden privaten Vorratshaltung.
 
Hinsichtlich weitergehender Informationen zur Lebensmittelbevorratung im Haushalt verweist das BBK auf das Internetportal des Bundesministeriums für Ernährung- und Landwirtschaft www.ernaehrungsvorsorge.de. Das Informationsportal zur Ernährungsvorsorge steht interessierten Bürgerinnen und Bürgern bereits seit dem Jahr 2004 zur Verfügung. Sie können dort u. a. mittels eines Vorratskalkulators (www.ernaehrungsvorsorge. de/private-vorsorge/notvorrat/vorratskalkulator/) detaillierte Beispiellisten mit handels- und haushaltsüblichen Lebensmitteln zur Bevorratung abrufen, so z. B. für eine Bevorratungsreichweite von 10 Tagen entsprechend KZV-Empfehlung.


Die in der KZV beschriebene Eigenvorsorge richtet sich allgemein an die Bevölkerung und ist – in Übereinstimmung mit § 1 ZSKG – als ein zusätzliches, die staatlichen Maßnahmen unterstützendes Element der Krisenvorsorge ausgestaltet. Konkrete Pflichten oder Obliegenheiten, die zwingend höhere Verbrauchsausgaben bedingen, regelt das Konzept dagegen nicht. Daher ist eine Anpassung existenzsichernder Leistungen – da sie allein der gegenwärtigen Bedarfsdeckung dienen – nicht geboten. Entscheiden sich Haushalte, die Empfehlungen der KZV zur Eigenvorsorge nicht umzusetzen, oder sind sie hierzu finanziell nicht in der Lage, so ist es dennoch Aufgabe des Staates, bei Versorgungskrisen ursachenunabhängig den lebensnotwendigen Bedarf der gesamten Bevölkerung sicherzustellen. Entscheiden sich Haushalte dafür, die Empfehlungen des KZV zur Eigenvorsorge – beispielsweise Anschaffung eines persönlichen Vorrats an Lebensmitteln – umzusetzen, so treffen sie eine privatautonome Entscheidung, inwieweit sie ihr begrenztes Einkommen und Vermögen zur Deckung aktueller, künftiger oder unsicher eintretender Bedarfslagen verwenden. Treffen Haushalte unterer Einkommensgruppen, die der Ermittlung und Festsetzung der Regelbedarfe zugrunde liegen, künftig in stärkerem Umfang als bislang die Entscheidung, Vorräte zur Eigenvorsorge anzuschaffen, so würde sich dieses geänderte Konsumverhalten auch auf die mittels Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erhobenen regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben auswirken und könnte zu einer entsprechenden Erhöhung existenzsichernder Leistungen führen.

Entsprechend den Ausführungen in der KZV sichert die staatliche Trinkwassernotversorgung nach den Vorgaben des Wassersicherstellungsgesetzes und der zu seiner Konkretisierung erlassenen Rechtsvorschriften die Minimalversorgung mit Trinkwasser über autarke Brunnen und Quellen für mindestens 14 Tage. Dieser Zeitraum beruht auf den Annahmen, dass mit einer Teilwiederherstellung der leitungsgebundenen Wasserversorgung oder ihrer Substituierbarkeit durch andere Maßnahmen gerechnet werden kann. Ergänzend zu dieser staatlichen Notversorgung soll die Bevölkerung durch geeignete Maßnahmen angehalten werden, zur Eigen-/Erstversorgung bis zur Installation staatlicher Einzelmaßnahmen für einen Zeitraum von fünf Tagen je zwei Liter Wasser pro Person und Tag in nicht gesundheitsschädlicher Qualität vorzuhalten; hierbei geht es um Trinkwasser, mit dem der tägliche Flüssigkeitsbedarf zunächst – ohne Inkaufnahme von Besorgungsvorgängen – abgedeckt werden kann. Demgegenüber befasst sich die Ernährungsnotfallvorsorge nicht primär mit einem Ausfall des Trinkwasserversorgungsnetzes. Vielmehr geht es hier um Maß- nahmen zur Bekämpfung einer möglichen Versorgungskrise, d. h. eines Ausfalls der privaten Strukturen der Lebensmittelversorgungskette. Die in den beiden Bereichen jeweils empfohlenen privaten Vorsorgemaßnahmen stehen ergänzend zueinander. Im Rahmen der in der KZV vorgesehenen Überprüfung der einzelnen Vorschriften wird die Bundesregierung bestrebt sein, Missverständnissen aufgrund vermeintlicher Wertungswidersprüche durch entsprechende Erläuterungen vorzubeugen und bei tatsächlichen Wertungswidersprüchen die entsprechenden Empfehlungen zu harmonisieren.

 Hinweise zur Bevorratung von Futtermitteln für Haustiere sind unter www.ernaehrungsvorsorge.de/private-vorsorge/empfehlungen-tipps/allgemeineempfehlungen/ enthalten, und in der Broschüre „Katastrophenalarm“ des BBK wird auf Seite 11 auch auf den Bedarf für Haustiere hingewiesen. Dieser ist aber nicht spezifiziert, weil aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Haus- und Nutztiere nur die Tierhalter selbst artgerechte Vorsorge planen können.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit dem Deutschen Roten Kreuz eine Kooperationsvereinbarung und mit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk sowie der Johanniter-Unfall-Hilfe Kooperationsprotokolle geschlossen, die sich auf die Zusammenarbeit im In- und Ausland beziehen

Gemäß § 23 ZSKG stellt der Bund den Ländern für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung im Verteidigungsfall ergänzend Sanitätsmaterial zur Verfügung. Das Material kann von den Ländern für ihre Aufgaben im Bereich des Katastrophenschutzes eingeplant werden. Das bevorratete Sanitätsmaterial ist für Schadenslagen mit einer hohen Anzahl von Verletzten konzipiert, in denen es zu Engpässen in der Versorgung mit den notwendigen Arzneimitteln und Medizinprodukten kommen kann. Es deckt inhaltlich folgende Therapiebereiche ab: 

 Volumensubstitution,
 Analgesie/ Analgosedierung, 
 Chirurgische Erstversorgung/ Stabilisierung, 
 Infektionsprophylaxe, 
 Versorgung von Leichtverletzten und berücksichtigt alle Sichtungskategorien (I-lebensbedrohlich verletzt, II-schwer verletzt, III-leicht verletzt). Das Material kann sowohl in einer Klinik als auch an einem Schadensort eingesetzt werden, um 250 Patienten über einen Zeitraum von drei Tagen zu versorgen. 



Mögliche Beschlagnahmung Bahn AG

Das Oberlandesgericht Florenz hat in einer Entscheidung vom 18. August 2016 (Sentenza n. 1334) entschieden, den Klageantrag der Bundesregierung zur Aufhebung des Exequatururteils n. 1696/2008 zurückzuweisen, mit dem die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Deutschen Bahn AG zur Entschädigung von NS-Opfern betrieben wird.

In dem Verfahren ging es um die Opfer des SS-Massakers von Distomo. In der griechischen Ortschaft hatte die SS am 10. Juni 1944 218 Einwohner ermordet. Den Überlebenden bzw. Angehörigen hatten griechische Gerichte Entschädigung in Höhe von rund 37,5 Millionen D-Mark zugesprochen. Weil die Bundesregierung diese Urteile nicht anerkennt und den Opfern jegliche Entschädigung verweigert, begehren diese nun in Italien die Vollstreckung ihrer Ansprüche.

Dazu hatten sie beantragt, dass deutsches Staatsvermögen beschlagnahmt wird. Auch die Deutsche Bahn AG hatte sich vor dem Oberlandesgericht Florenz dem Wiederaufnahmeantrag der Bundesregierung gegen die mögliche Heranziehung ihres Vermögens angeschlossen. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen, so dass nunmehr nach Angaben des Rechtsanwalts der Klägerinnen und Kläger, Dr. Joachim Lau, gegenüber den Fragestellerinnen und Fragestellern, die Vollstreckung gegen das Bahnvermögen fortgesetzt werden kann.

Der Internationale Gerichtshof hat zwar auf Antrag der Bundesregierung am 3. Februar 2012 Urteile der italienischen Justiz, die Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichtet hatten, als Verstoß gegen die sog. Staatenimmunität bezeichnet, das italienische Verfassungsgericht hat aber in seiner Entscheidung n. 238 aus dem Jahr 2014 klargestellt, dass die Staatenimmunität nicht im Falle von schweren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt. Es hat vielmehr dem verfassungsmäßig geschützten Recht der Opfer auf gerichtliche Überprüfung ihrer Rechte Geltung verschafft.

Es handelt sich erneut um ein Urteil, das die Staatenimmunität Deutschlands verletzt.Die Bundesregierung hatte Rechtsmittel gegen das Urteil des Berufungsgerichts Florenz vom 13. Juni 2006 eingelegt. Eine andere als juristische Beteiligung an dem Verfahren bestand nicht.

Nach dem Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2014 hat die Deutsche Bahn AG beantragt, die oben genannten Verfahren für erledigt zu erklären. Grundlage für die ursprünglich beantragte Aufhebung der italienischen Urteile war das Gesetz Nr. 5 vom 14. Januar 2013. Dieses ist vom italienischen Verfassungsgerichthof für verfassungswidrig erklärt worden.
Die italienischen Urteile, die das griechische Urteil zugunsten der Vollstreckungskläger in Italien für vollstreckbar erklärt haben, haben formal weiterhin Bestand.

Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde kein Vermögen der Deutschen Bahn AG beschlagnahmt. Im Herbst 2014 war ein Vollstreckungsverfahren gegen das Vermögen der Deutschen Bahn AG eingeleitet worden. Dieses Verfahren wurde vom Kassationsgerichtshof in Rom ausgesetzt. Eine Entscheidung des Kassationsgerichtshofs steht noch aus.

Es haben hochrangige Gespräche stattgefunden, deren Fortsetzung beschlossen wurde. Die italienische Regierung hat erneut bestätigt, dass die Generalstaatsanwaltschaft (Avvocatura dello stato) zugunsten der Bundesrepublik Deutschland interveniert.